Archiv für die Kategorie ‘Südamerika’

Brutal wichtige Brujas

Frau Tifosa am Dienstag den 20. Dezember 2022

Señorita Romi stammt aus Ushuaia in Argentinien (auch bekannt als das Ende der Welt), lebt aber dieses Jahr hier in Schottland. Im exklusiven RL-Interview erzählte sie mir mehr über den Erfolg ihres Nationalteams. 

Señorita Romi, wie geht es Ihnen?
Es geht einigermassen. Ich bin immer noch total aufgewühlt und emotional fast am Ende vom Spiel vorgestern. 

Señorita Romi während des Finales

Weshalb?
Was für ein Spiel, es war viel zu spannend. Ich zweifelte zeitweise, dass ich es überleben würde. Als das Spiel dann zu Ende war, habe ich mich unglaublich gefreut. Gleichzeitig bin ich auch traurig, dass ich das ganze hier im schottischen Winter erlebt habe und nicht im argentinischen Sommer. Es ist bittersüss!

Was bedeutet dieser Sieg für das Land?
Der Sieg bedeutet für uns alles. Vieles läuft schief im Land. Wir brauchten diesen Erfolg unbedingt! Die Mannschaft und Messi haben ein sonst sehr zerstrittenes Land geeint! Wir wollten alle, dass Messi glücklich ist. So kann Argentinien trotz wirtschaftlicher Misere glücklich Weihnachten feiern. 

Was meinen Sie, wer ist für den Erfolg verantwortlich? Messi? Martinez? Scaloni?
Ich glaube ohne die brujas wäre es nicht möglich gewesen. 

Brujas?
Ja, brujas. Eine Bruja ist eine Hexe. Und von denen gibt es in Argentinien viele. Als die Mannschaft gegen Saudi-Arabien verlor, haben diese realisiert, dass ein Fluch auf der Mannschaft liegt. Um diesen Fluch zu bekämpfen, haben dann alle brujas im Land begonnen, den Spielern positive Energien zu vermitteln. Und seitdem haben wir kein Spiel mehr verloren…

Sind Sie eine Bruja?
Vielleicht. 

Was vielleicht?
Ich darf das nicht beantworten.

Wollen Sie sonst noch etwas sagen?
¡Viva Argentina, Viva las brujas! Ich trinke jetzt einen Mate und esse Dulce de leche. 

Herzlichen Dank für das Interview. Ich werde mich dann melden, falls es bei YB irgendeinmal nicht mehr so läuft. Vielleicht können wir ja dann die Dienste der Brujas in Anspruch nehmen.

Carlos campeón

Briger am Montag den 19. Dezember 2022

Heute lernen Sie Carlos kennen.

Der 83-jährige wurde beim 3:0-Halbfinalsieg der Argentinier gegen Kroatien dabei fotografiert, wie er auf einem Plastikstuhl sitzend, das Spiel im Schaufenster eines Haushaltsgeschäfts verfolgte. Seine Antenne sei nicht ausreichend stark, so Carlos später gegenüber argentinischen Medien und seine Freunde alle tot, somit schaue er die Spiele halt alleine.

Die Social-Media-Nutzerin, die Carlos fotografiert hatte, forderte das Haushaltswarengeschäft auf, Carlos einen TV zu schenken, was auch geschah. Doch Carlos dachte nicht daran, den TV auf seinem neuen Gerät zu schauen, sondern gab zu Protokoll: “Ich habe das Gefühl, dass ich ihnen Glück gebracht habe, indem ich das Spiel vor diesem Geschäft geschaut habe. Also werde ich am Sonntag, wenn das Finale stattfindet, an der gleichen Stelle sitzen.”

Gesagt getan:

Stilvolles Stillen

Frau Tifosa am Dienstag den 13. Dezember 2022

RL Leser:innen, welche die WM nicht boykottieren werden heute Abend wieder einmal mit eigenen Augen sehen, dass Argentinien ein absolut fussballverrücktes Land ist. 

Wirklich alle lieben die Nationalmannschaft. Sehr viele mögen auch den Klubfussball und besuchen die verschiedenen Stadien: Frauen, Männer, Kinder und auch Säuglinge. Während die älteren bei einem Matchbesuch gerne mal etwas beim Essensstand holen gehen, haben die Säuglinge im Stadion etwas andere Ernährungsbedürfnisse.

Das Spezialtrikot (Screenshot Twitter)

Stillen im öffentlichen Raum sei aber leider immer noch nicht zu 100% akzeptiert und könne etwas unangenehm sein. Der Racing Club in Buenos Aires wollte dem entgegenwirken und hat vor einigen Wochen das erste Trikot für Stillende designt. In einem auf Twitter veröffentlichten Werbevideo wurde das Modell präsentiert. Die Mütter im Video sind begeistert! Endlich können sie ihre Leidenschaft trotz des jungen Nachwuchses im korrektem Tenue ausüben.

Es sei der Designerin und dem Verein ein grosser Wunsch, Fussballspielbesuche möglichst inklusiv zu machen. Deshalb haben sie auch kein Patent auf das neuartige Trikot angemeldet. Sie fordern damit andere Vereine weltweit dazu auf, nachzuziehen und selber ein solches Trikot ins Sortiment aufzunehmen. 

Jovialer Juninho

Herr Winfried am Mittwoch den 2. November 2022

Das Fussball-Politik-Tandem geht in die nächste Runde.

Ältere Leser:innen erinnern sich, neulich war britische Politik Thema in diesem Fachblog. Diesmal geht es um ein anderes bedeutendes Fussballland: Brasilien. Wissen Sie noch, Juninho Pernambucano?

Der Kunstschütze ist heute 47 Jahre alt und hat zuletzt nicht mehr ganz so viel von sich reden gemacht wie damals alben. Weil in seinem Heimatland aber gerade Wahlen waren, hat er ein Foto aufs Internet gestellt. Er scheint sich über das Ergebnis zu freuen.

Bild: Twitter

Damit ist Juninho anderer Meinung als diverse andere ehemalige und aktuelle Nationalspieler. Neymar, Robinho, Ronaldinho, Felipe Melo, Rivaldo, Lucas Moura, Lucio, Romario – sie alle unterstützten öffentlich den anderen Kandidaten. Juninho ist da also eher die Ausnahme.

Genaueres und Bebilderungen gibt es hier.

Mahatma machts möglich

Frau Tifosa am Dienstag den 1. November 2022

Nicht nur ich befinde mich zurzeit im Ausland, sondern auch die RL-Premiumleser Papa und Mamma Tifosa.

Diese bereisen derzeit gerade Südamerika und haben mir per Brieftaube Express-Internet-Post folgendes Bild zukommen lassen:

Auf dem Bild sehen Sie die Innendekoration des Restaurants Desnivel in Buenos Aires. Sofort fallen die neun Wimpel auf, auf denen die Logos verschiedener Fussballvereine aus der Stadt abgebildet sind. Der Besitzer des Restaurants scheint ein Modefan guter Geschäftsmann zu sein, der alle Kundengruppen ansprechen will. 

“Das ganze Restaurant war voller Fussballbilder”, erzählt Papa Tifosa am Telefon. “Nur ein einziges passte nicht rein: Oben rechts an der Wand, zwischen dem River Plate und dem Boca Juniors Wimpel, hing ein Bild von Mahatma Gandhi und zwar nicht der brasilianische Fussballer Mahatma Gandhi, sondern der indische Unabhängigkeitskämpfer.”

Papa Tifosa hat aber glücklicherweise eine mögliche Erklärung dazu. “Gandhi war ja bekannterweise gegen jegliche Form von Gewalt. Ich glaube, der Restaurantbesitzer hat ihn neben die Wimpel gehängt, damit sich die Wimpel an der Leine nicht bekriegen.”

Attraktive Ausgangslagen

Herr Shearer am Donnerstag den 27. Oktober 2022

Schöne Tabellen aus aller Welt.

Screenshot: soccerway.com

Heute blicken wir ins schöne Kolumbien und dort auf die Primera A, die höchste Spielklasse. Falls Ihnen die hiesige Liga also zu langweilig ist, empfehlen wir Ihnen den Abschluss eines TV-Abos bei einem der einschlägigen kolumbianischen Bezahlsender. Wobei – tun Sie das sofort, denn am Wochenende fällt die Entscheidung in der regulären Saison. Die acht erstklassierten Teams balgen sich dann in einer Finalrunde um die Spitzenplatzierungen.

Legen Sie jetzt also sofort alles zur Seite, machen Sie Gebrauch von Ihren Kenntnissen des Fussballs im Lande Valderramas und teilen Sie uns in der Kommentarspalte Ihre fachkundige Expertise zum Ausgang dieser Meisterschaft mit.

Live is live

Rrr am Mittwoch den 5. Oktober 2022

Multifunktionale Stadien – einfach eine tolle Sache.

Der Allianz Parque in São Paulo ist die Heimat des ruhmreichen SE Palmeiras, doch werden in der Arena auch viele andere Spektakel geboten. Mitunter kommt es zu Nutzungskonflikten, die in Brasilien durchaus kreativ gelöst werden.

Im April, beim Stadtderby von Palmeiras gegen Sao Paolo, waren 1500 Fans zwar hautnah dabei, sahen das Spiel aber doch nur auf Grossleinwand.

Kurz zuvor war die US-Rockband Maroon 5 aufgetreten, und leider reichte die Zeit bis zum Match nicht, um die riesige Bühne hinter dem einen Tor abzubauen.

Palmeiras beschloss darauf, das Spiel auf der Rückseite der Bühne auf Grossleinwand zu zeigen. Die Fans in diesem Sektor erhielten Gratis-Eintritt. Und ihr Jubel war gross, als Palmeiras das Skore eröffnete. Bewegende Bewegtbilder sehen Sie hier. Palmeiras siegte schliesslich 4:1 und wurde damit Meister des Bundesstaats São Paulo.

(Fotos: Twitter)

Katastrophale Kleberkrise

Herr Shearer am Donnerstag den 22. September 2022

Argentinien ruft den Notstand aus.

KEYSTONE/Petra Orosz

Während immer mehr Menschen, darunter auch Eric Cantona, die WM diesen Winter ignorieren und boykottieren wollen, ist Argentinien bereits wieder total im Rausch. Im Panini-Sammelrausch, um genau zu sein, und wegen des Runs auf die Spielerheldgen fehlt es im ganzen Land an Nachschub. Schuld daran hat natürlich die Firma Panini, die offenbar einfach nicht genug Ware liefern kann. Aufgrund der katastrophalen Versorgungslage hat sich jetzt auch die argentinische Handelskammer eingeschaltet. Zusammen mit dem nationalen Kiosk-Verband und den Verantwortlichen der Herstellerfirma wurde eine Krisensitzung einberufen, auf der sich alle beteiligten Parteien (also Panini und die Kioske) einigten, alles dafür zu tun, den Notstand zu beheben. Adriàn Palacios, der Präsident des Kioskier-Verbands ist danach vor ganz viele Mikrofone getreten, und hier sehen Sie, dass so trümmlige Aufkleber mancherorts tatsächlich eine staatstragende Angelegenheit zu sein scheinen:

Kostengünstiger, kreativer und nervenschonend ist es natürlich, wenn man sich das Zeugs gleich selbst herstellt.

Fan-tastische Fibel

Herr Shearer am Dienstag den 13. September 2022

Es folgen eine Buch- und eine Veranstaltungsempfehlung.

Als Stammgast des famosen Match Cut-Festivals im Kino Rex dürften Sie Lukas Lange noch in bester Erinnerung haben: vor ein paar Jahren brachte er uns da die Fanszene Argentiniens so nahe, dass beim für diesen Artikel zuständigen Redaktör das sofortige Buchen einer Fluges um die halbe Weltkugel einzig an akuter Flugscham scheiterte.  Nun hat der nach Buenos Aires emigrierte Berner und YB-Fan ein 220 seitiges Buch über die bunte Fussballszene in seiner Wahlheimat geschrieben. Fussballstadt Buenos Aires heisst es, und wir zitieren kurz den Verlag: Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Buenos Aires ist Einwanderungsgeschichte, aber auch ein Dokument über mafiöse Zustände in Staat und Fankurven – eine Geschichte über Freud und Leid, von den größten Stadien bis zu den kleinsten Fußballplätzen der Stadt.

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Polyamouröse Posts

Herr Shearer am Donnerstag den 8. September 2022

Grosse Vorfreude in Buenos Aires!

Denn am Sonntag um 22:00 Uhr hiesiger Zeit steigt der grösste Klassiker Argentiniens – Boca Juniors gegen River Plate!

Grosse Freude herrscht derweil auch beim Sportartikelhersteller Adidas, der seine Sympathien in diesem Derby eindeutig offenlegt.

Screenshot: Twitter (@adidasfootball)

 

Aguileras Ausflug

Rrr am Dienstag den 17. Mai 2022

Die ganze Familie ist im Stadion. Auch der Grosspapa.

Denn der war Zeit seines Lebens grosser Fan von Racing, dem Traditionsklub aus einem Industriequartier von Buenos Aires.

Für seinen Enkel Valentin Aguilera war klar: Der Grosspapa darf auch mit, wenn Racing im Ligacup-Halbfinal auf die Boca Juniors trifft.

Die Frage eines Reporters, wie er den Schädel ins Stadion geschmuggelt habe, wollte Aguilera nicht so recht beantworten. Sein Grosspapa war auf jeden Fall dabei, als Racing gegen den Stadtrivalen 0:0 spielte, dann aber im Penaltyschiessen mit 5:6 verlor.

(Foto: Screenshot ESPN)

Unlängst in Uruguay

Herr Winfried am Mittwoch den 23. März 2022

Soeben erreicht uns folgende Anfrage:

Sehr geehrter Dr. Rüdisühli. Ich bin im Internet auf ein Telegramm gestossen, das ich mir nur schwerlich erklären kann. Ich glaube, es stammt aus dem fernen Uruguay. So viele Rote Karten – und dann alle in der Nachspielzeit? Auf dem YouTube gibt es zwar etwas an, wenn ich das Spiel “Wanderers gegen Nacional” eingebe. Aber da sind nur Typen, die mir irgendwas erklären, und keine buspere Fernsehzusammenfassung. Können Sie weiterhelfen? Herzlich, Hanspeter v. A. aus Toffen

Lieber Herr v. A., ein interessantes Spiel! Also, das ging so: Es war ein Duell zweier Stadtrivalen aus der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. Kurz vor Ablauf der 90 Minuten erzielten die Wanderers durch Hernández González das 2:1, dieser feierte das Tor mit einer grenzwertigen Pistolengeste. Es folgte die bestens bekannte Rudelbildung, aber das Rudel wollte sich (entgegen unserer Gewohnheit) nicht mehr auflösen. Dann gab es rote Karten à gogo: wegen der deplatzierten Jubelgeste, wegen zu heftigen Reklamierens dagegen – und wegen Gewalteinsatzes auch noch. Später glich Nacional noch aus, und das Spiel endete 2:2.

Wenn Sie es nachschauen wollen, bitte sehr! Herzlich, Ihr Dr. Rüdisühli