Der Durchschnittsschweizer wird 80,1 Jahre alt – das heisst, er erlebt im besten Fall 20 WM-Finals.
Die ersten beiden verpasst er allerdings infolge seiner frühkindlichen Phase. Beim dritten ist er zwischen 8- und 12-jährig und beschliesst nach dem grossen Spiel, selber Fussballer zu werden. Er träumt von einer Weltkarriere und weiss, dass er eines Tages selber in so einem WM-Final stehen wird.
Beim vierten Endspiel steckt er in der Pubertät und verpasst den Match, weil er gerade seine grosse Liebe hinter dem Bahnhofkiosk küsst. Den fünften Final sieht er mit mehreren Freunden in einer winzigen Studentenloge. Dabei trinkt er 14 Flaschen Bier und kann sich später an nichts erinnern.
Beim sechsten Final ist er Anfang 20 und hat alle Hoffnung auf eine Fussballerkarriere fahren lassen. Er studiert Jus und liest lieber ein gutes Buch.
Herr Müller findet einen super Job in einem Anwaltsbüro, er ist geputzt und gestrählt und sieht nichts vom siebten WM-Final seines Lebens, weil er Überstunden schieben muss. Die WM-Finals kommen und gehen jetzt immer schneller, immer schneller, und eines Tages träumt Müller, wie er in der 85. Minute eingewechselt wird, 90.000 Zuschauer im Stadion und Millionen am Bildschirm – plötzlich ereilt ihn ein Steilpass im Strafraum, er zögert, einen Moment nur zögert er, da grätscht ihm ein Verteidiger zwischen die Beine, der Schiedsrichter pfeift nicht, das Spiel ist aus, Herr Müller verliert 0:1.
Den zwölften Final, im Alter von 44 Jahren, schaut er alleine am Fernseher, nachdem ihn seine Frau verlassen hat. Beim dreizehnten Final beginnt er seinen Lebensentwurf in Frage zu stellen und trauert der verpassten Fussballerkarriere nach.
Es folgen dann noch einige melancholische Spiele, mehrere umstrittene Penaltys und zwei Herzinfarkte, und schon naht der 20. Final und der Schlusspfiff.
Weit und breit ist kein Pokal in Sicht.