BREAKING NEWS: Schweizer Stadien dürfen ab 20. August wieder gefüllt werden
Ilse v. Mueller-Fridnau begrüßt Sie zu Sprechstunde Nummer IV.
In meinem letzten literarischen Auswurf in diesem Fachorgan hatte ich Ihnen die Analyse einer lexikalischen Monstrosität in der Welt des Fussballes versprochen. Sollten Sie sich darauf gar ein wenig gefreut haben, muss ich Sie leider enttäuschen.
Nicht dass ich Ihnen jetzt das Versprochene vorenthalten würde. Jedoch handelt es sich bei diesem um etwas in höchsten Maße Unerfreuliches. Aber henu. «Es hilft alles nichts, wir müssen ran», sagte meine alte Deutschlehrerin jeweils, bevor sie uns nach den langen Ferien wieder zum Konjugieren schickte.
Wir befassen uns heute mit der Wendung «Spielermaterial», meist benutzt oder besser missbraucht im Problemkreis eines von einem Verein zu einem andern übertragenen Fußballspielers. Dass eine solche Wendung höchst problematisch und verletzend ist, illustriert zum Beispiel Folgendes.
Ausgehend von dem Begriff könnte ich ausführlich über die zunehmende Verdinglichung, Entmenschlichung und Materialisierung dieser unserer Welt referieren. Ich halte diese Ausführungen jedoch für unnötig und beschränke mich statt ihrer in aller Kürze auf den Hinweis darauf, woher der Begriff stammt und wodurch er völlig zu Recht in Ungnade fiel.
Er taucht zum ersten Male auf bei dem großen Dichter Theodor Fontane (ausgerechnet bei ihm, wie schrecklich!). Und zwar im Jahre 1852 in seinem Bericht «Ein Sommer in London» in einem militärischen Kontext: «Der englische Soldat, als rohes Menschenmaterial noch immer unvergleichlich (…)» Zu beruhigen vermag nur, dass der begnadete Meister der sprachlichen feinen Klinge und des Wortwitzes einen derartigen Begriff nur mit doppeltem Boden gebrauchen würde.
Karl Marx wählte die Wortfügung einige Male in «Das Kapital» (1867) – natürlich in kritischem Sinne. Später im Ersten Weltkrieg war oft von den vielen Verlusten an «Kriegs- und Menschenmaterial» die Rede.
Und – jetzt kommt das Monströse – Adolf Hitler benutzte den Ausdruck mehrfach in seinem politischen Grundlagenwerk «Mein Kampf». Im Zweiten Weltkrieg wurden KZ-Häftlinge, die nicht zu Arbeitszwecken einzusetzen waren, als «unbrauchbares Menschenmaterial» bezeichnet.
Kurzum: Der Begriff hat eine absolut abscheuliche Ausprägung und ist unbedingt zu vermeiden. In seiner Monstrosität sprengt er beinah den Rahmen eines schiefen Bildes.
Haben aber Sie eine dahingehende Frage? So wenden Sie sich ohne Scheu an mich via meinen geschätzten Kollega Dr. Rüdisühli.
Seien Sie auch dieses Mal auf Freundlichste gegrüßt von Ihrer Ilse v. Mueller-Fridnau