Es ist momentan nicht einfach, ein Liverpool-Fan zu sein. Am Mittwochabend machten sich die «Reds» zum Gespött der englischen Fussballwelt, als sie in der dritten Runde des League Cup an Northampton scheiterten, einem League Two Club (das entspricht der vierten Liga), im Penaltyschiessen. Da hat wohl die Liverpooler Jugend gespielt, hofft man, aber nein, in der Aufstellung fanden sich nicht wenige Spieler aus der ersten Mannschaft. Und was die auf dem Platz boten, war beschämend.
Nicht viel besser sah es am letzten Sonntag aus, als Liverpool in der Liga gegen Manchester United verlor. Das schmerzt natürlich besonders, weil die United der Todfeind ist, aber im Old Trafford darf man schon einmal verlieren. Doch das knappe Resultat (3:2) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Auftritt von Liverpool sehr durchschnittlich war. «Like a mid table club», konstatierte mein englischer Arsenal-Freund, und sogar er findet den Zustand der «Reds» traurig. Liverpool spielt unter Roy Hodgson, der im Sommer das Zepter von Rafa Benitez übernommen hat, alles andere als Spitzenfussball.
Hodgson ist ja auch nicht der grosse Name, den die Fans sich als Trainer wünschen. Nur, ein grosser Name wird sich hüten, nach Liverpool zu kommen, solange die beiden amerikanischen Besitzer Hicks und Gillett den Club nicht verkaufen. Sie haben den FC Liverpool so sehr mit Schulden belastet, dass kaum Geld für Transfers zur Verfügung steht. Die Mannschaft ist – bis auf wenige Ausnahmen – Mittelmass. Von den ersten fünf Ligaspielen konnte sie gerade eines gewinnen, gegen den Aufsteiger West Bromwich Albion. Das neureiche Manchester City erteilte Liverpool eine Lektion (3:0). Als ausgerechnet zwei meiner Lieblings-Engländer – Gareth Barry auf Flanke von James Milner – das 1:0 erzielten, wusste ich: Das wird eine lange Saison.
Bill Shankly würde sich im Grab umdrehen, wenn er um das Befinden des Clubs wüsste, den er als Trainer gross gemacht hat. Für Liverpool-Fans ist Shankly eine Legende, aber auch wer seinen Namen nicht kennt, kennt mindestens sein berühmtestes Zitat: «Es gibt Leute, die denken, Fussball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.» Am 29. September jährt sich Shanklys Todestag zum 29. Mal. He made the people happy, lautet die Inschrift auf der lebensgrossen Bronzestatue, die an der Anfield Road steht.
Ja, Fussball kann glücklich machen. Oder traurig oder wütend. Mich deprimiert er zurzeit. Ein bisschen wenigstens – vielleicht eine halbe Stunde lang nach einem verlorenen Spiel –, denn wichtig ist Fussball nicht, da muss ich Bill Shankly widersprechen. So richtig bewusst wurde mir das wieder einmal, als im Liverpool-Forum ein Fan kurz nach dem City-Match erzählte, seine geliebte Tante sei eben überraschend gestorben. So etwas rückt einen missglückten Saisonstart doch gleich in ein anderes Licht.