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Fussball aus dem Archiv (I)

Briger am Montag den 6. April 2020

Sie erinnern sich, früher war mal Fussball.

So etwa im Jahre 1938, als die Banater Deutsche Zeitung am 6. Juli über ein Fussballspiel von Ripensia Temeschwar in Mailand berichtete:

Quelle: Banater Deutsche Zeitung, via Bibliothek des Digitalen Forums Mittel- und Osteuropa

Hier haben wir den Text für Sie transkribiert:

Begeisterter Empfang der heimkehrenden Ripensiaspieler am Bahnhof – Mit dem ganzen Einsatz für einen Erfolg, auch in der zweiten Runde.

Punkt 12 Uhr fuhr der Simplon, der die Ripesnia-Spieler aus Mailand nach Hause brachte, am Hauptbahnhof ein. Der Perron (sic!) des Bahnhofes hatte sich mit unzähligen Sportbegeisterten gefüllt, die mit Taschentüchern dem einfahrenden Zug zuwinkten. In den Türen eines der letzten Wagen tauchten die Spieler auf und begrüssten mit freudigen Geisichtern ihre Angehörigen. Dr. Kornel Lazar stand mitten unter ihnen und als er die Treppe herunterkam, streckten sich ihm viele Hände entgegen, um ihn zu dem Erfolg seiner Mannschaft zu beglückwünschen.
Nun wurden die einzelnen Spieler von der begeisterten Menge umringt und ein Schwall von Fragen ergoss sich über sie. Einer der ersten, der den Zug verliess, war Doban, welcher eine Flasche Russino in der Hand hilet und diese über die Köpfe der Wartenden schenkte. Die meisten der Spieler brachten sich von dem feurigen italienischen Wein mit. Den Gesichtern der Fussballer war die Müdigkeit der langen Reise anzusehen.
Nur schwer werden die einzelnen Fragen beantwortet. Wie wars in Mailand? Wie habt ihr euch geahlten? Wie war das Publikum? Und die meisten wollten wissen, ob der Elfmeter, den der Spielleiter gegen sie urteilte, gerecht war.
Lazar, der beste Mann gegen FC Milano erzählt in einem kleinen Kreis über das Spiel. Er plaudert so ausführlich, als wäre er nach Italien gar nicht Fussballspielen gefahren, sondern hätte eine Studienreise unternommen. Er beschreibt die Stadt und das Wetter.
– Wie war das Wetter?
– Etwas Regen. Zumeist war es aber wolkig und daher für uns sehr gut.
– Wie verhielt sich das italienische Publikum?
– Wir müssen zufrieden sein. Gleich zu Beginn als wir mehr im Angriff lagen, da wurde F.C. Milano von seinen eigenen Druckern ausgepfiffen. Später waren sie mit ihrer Mannschaft besser zufrieden, doch unterkriegen konnten und die Italiener doch nicht. Es war eines der schärfsten Spiele, das Ripensia je durchkämpfte. Die Italiener legten sich herein, als müssten sie uns gleich von Anfang an in Grund und Boden spielen. Wir waren gezwungen, in der Verteidigung zu bleiben. Als das Resultat auf 3:1 stand, da dachten wir schon, dass alles aus sei. Wir kämpften aber mit verzweifelter Entschlossenheit und nur so kam es, dass wir das Ergebnis hielten. (Anmerkung: Ripensia hatte das Heimspiel mit 3:0 gewonnen).
Jetzt seid ihr wohl alle recht müde?
– Die Reise, die kann einen mitholen. Wir haben jetzt noch den Weg nach Bucuresti, da wir doch dort am Sonntag antreten müssen.
– Wie wird es wohl werden gegen Franzstadt?
– Wir schlagen sie! Wenn wir nun schon soweit gekommen sind im Mitteleuropäischen Pokalm dann lassen wir uns nicht mehr so leicht hinaushauen. Gott gebe es, dass wir die Form vom vergangen Sonntag wieder haben, dann brauchen wir nichts zu befürchten…

Es klingt zu aufrichtig und zu begeistert, als dass man es dem kleinen Lazar nicht glauben sollte. Er war der beste Mann am Rasen in Mailand, er wird auch am Sonntag nicht zurückbleiben. Also nur ‘ran am Sonntag – und wieder zeigen, dass wir auch etwas vom Fussball verstehen….
-Wissen Sie – sagt Lazar weiter – was wir den Italienern in Mailand zum Abschied sagten?
???
“Arevederci”, denn wir wollen Mailand bald wieder sehen, da wir gegen “Abrosiana” (sic!) gar zu gern antreten möchten.

Aus dem Aufeinandertreffen mit Ambrosiana, wie Inter Mailand ab 1929 vorübergehend hiess, kam es im Mitropapokal, an dem Mannschaften aus Italien, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und dem Königreich Jugoslawien teilnahmen (in anderen Jahren auch aus der Schweiz und Österreich), wurde nichts. Nach dem Erfolg in Mailand verlor Ripensia das Spiel gegen Ferencváros (Franzstadt) mit dem Gesamtscore von 5:9. Ambrosiana scheiterte nach einer 0:9-Auswärtsniederlage bei Slavia Prag ebenfalls schon im Viertelfinale. Im Finale besiegte Slavia Prag Ferencváros dann nach einem 2:2 zu Hause mit 2:0 in Budapest.

Rekordsieger des von 1927 bis 1992 ausgetragenen Pokals ist Vasas SC aus Budapest mit sechs Titeln. Den letzten Titel gewann 1992 Borac Banja Luka.

Lesen Sie in einem nächsten Teil, wie Schiedsrichter und Torhüter früher beurteilt wurden.

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32 Kommentare zu “Fussball aus dem Archiv (I)”

  1. El Tren sagt:

    Jesses, so viel Text am frühen Morgen. Welcher RL-Kanal hat die Vorlesefunktion?

  2. spitzgagu sagt:

    Grossartiger Beitrag! Guten Morgen.

  3. Bäne II sagt:

    Eine neue Serie? Sehr schön.
    Bonjour tout le monde.

  4. Briger sagt:

    Wollen Sie mir sagen, Sie müssten noch arbeiten, Herr Tren?

  5. Je sagt:

    Das mit den Druckern ist mir auch aufgefallen. Vermutlich waren früher in diesem Mailand nur Drucker als Fuffballfanf Fussballfans zugelassen.

  6. Briger sagt:

    Vielleicht haben auch die Rumänien-Deutschen Drucker einen Druckfehler gemacht? Oder es waren die Drucker des Matchprogramms?

  7. Durtschinho sagt:

    Herr Briger, ich habe die Gruppenintelligenz angezapft und zwei Antworten erhalten:

    “«Drucker» war damals das deutsche Wort für Fans, die ihr Team unter Druck setzen.”

    “Drucker ist das alte deutsche Wort für «Fan», aus einer Zeit, als es noch weniger Anglizismen gab.”

  8. Alleswisser sagt:

    Es war eines der schärfsten Spiele, das Ripensia je durchkämpfte.

    und das ist einer der schärfsten Beiträge, der sich je ins RL hineingekämpft hat, herzlichen Dank!

    (mein Homeoffice-Vormittag ist somit gerettet)

  9. spitzgagu sagt:

    Ich bin demnach ein Drucker von Gedrucktem.

  10. Rrr sagt:

    Welcher RL-Kanal hat die Vorlesefunktion?

    RL Siri plus. Aber das ist nur für Premium-Fünfstern-Abonnenten mit Membercard. Möchten Sie updaten, Herr El Tren?

  11. Briger sagt:

    Herr Durtschinho, danke!
    Ich habe es immer gewusst, wir haben mit Abstand die intelligentesten und bestaussehndsten Leser des Landes.

  12. Rrr sagt:

    Tolle Serie, Herr Briger. Sie waren immer mein Lieblingsredakteur!

    OT: Hat jemand die Rede der Queen gesehen gestern abend? Eindrücklich.

  13. Durtschinho sagt:

    Die Queen hat eine, äh, raue Stimme. Muss man sich Sorgen machen?

  14. spitzgagu sagt:

    Das Trikot von Frau Windsor deutet aber eher auf eine St. Gallen-Affinität hin, dünkt es mich.

  15. dres sagt:

    Danke, Herr Briger, dass Sie uns Stoff fürs Home Schooling geliefert haben. Die Kleindresen sind sehr motiviert, die schwungvolle Schrift der Altvorderen zu lernen.

  16. Rrr sagt:

    Tami, da ging etwas mit der Tonspur schief. So ist es besser.

  17. Rrr sagt:

    Grmbl! Ich habe ein Riesenpuff mit den Dateien, entschuldigen Sie. Na ja, egal, beide Ansprachen finden Sie ja auf Youtube.

  18. dres sagt:

    Ansprachen werden von uns nicht einmal am 1. August beachtet. Ich danke Ihnen.

  19. Alleswisser sagt:

    einmal mehr brillant, Herr Rrr, Sie waren immer mein Lieblings-RL-Chef!

  20. dres sagt:

    Stimmt, das ist ausnahmsweise eine gute Ansprache. Bravo Herr Rrr.

  21. spitzgagu sagt:

    Herr Rrr, der Chef aus der guten alten Zeit, als noch Fussball gespielt und nicht nur darüber geredet wurde….

  22. Rrr sagt:

    Das ist richtig. Unter mir gab es nie eine Corona-Zwangspause. NIE!

  23. Durtschinho sagt:

    Warum die Vergangenheitsform, Herr spitzgagu.

    Ich schalte ein – und Gelbschwarz trifft:

  24. Briger sagt:

    Ich spüre es deutlich, Sie möchten noch mehr über Ripesnia erfahren. Frau wikipedia weiss:

    Ripensia Timișoara wurde im Jahr 1928 von Dr. Cornel Lazăr, dem früheren Präsidenten von Chinezul Timișoara, gegründet. Der Name geht auf die römische Provinz Dacia ripensis zurück, das heutige Banat. Die Spieler kamen hauptsächlich von Chinezul und FC Politehnica Timișoara.

    Ripensia war der erste professionelle Fußballverein in Rumänien. Daher konnte die Mannschaft bis 1932 nicht an offiziellen Meisterschaften teilnehmen. In den 1930er Jahren dominierte Ripensia zusammen mit Venus Bukarest den rumänischen Fußball und wurde viermal rumänischer Meister (1932/33, 1934/35, 1935/36, 1937/38) und zweimal rumänischer Pokalsieger (1934, 1936). Zweimal konnte die Vizemeisterschaft errungen werden

    Der Verein löste sich dann 1948 auf und wurde 2012 wiedergegründet. Nach vier Aufstiegen in fünf Jahren spielt der Verein seit 2017 wieder in der 2. Liga. Dort schauten die Plätze 11 und 12 raus. Aktuell liegt man bei Unterbruch der Liga 13 mit einem Verlustpunktevorsprung von einem Punkt auf den Abstieg.

  25. Briger sagt:

    Da hat der Burunder/Burundese/Burundier so viel Platz im Stadion und dann kriegt er das mit dem Social Distancing nicht hin?

  26. Rrr sagt:

    Sehr, sehr guter Sound, muss man sagen.

  27. Harvest sagt:

    Grossartig, Herr Briger.

  28. Max Power sagt:

    Guten Morgen.

  29. Rrr sagt:

    Guten Abend, Herr Power.

  30. Briger sagt:

    Sie sind 41 Minuten zu früh, Sie Rrr.

  31. Max Power sagt:

    Suns out, guns out. MM

  32. El Tren sagt:

    Um 11 Uhr war ich endlich fertig mit dem Artikel – dann aber noch all die Kommentare lesen, puh. So’n Stress gleich zu Beginn der Frühlingsferien. Zum Glück habe ich am Nachmittag einen BIP-Call, drei Stunden lang.