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Frau Professor erklärt das Hyperbolische am Fussi

Frau Götti am Samstag den 7. Juli 2018

Gestern war meine Enkelin zu Gast, und sie verlangte partout danach, ein gewisses Fussballspiel anschauen zu können. Ich versuchte ihr zunächst alternativ Grimms Märchen aus meiner Hausbibliothek nahezulegen, sah mich aber mit ungeahnten Widerständen konfrontiert, so dass ich ihr am Ende die Hinwendung zum bewegten Bild zugestand.

Auf diese Weise gelangte ich gewissermaßen ex eventum dazu, auf die Worte des Kommentatoren zu achten, genauer gesagt auf die rhetorischen Figuren, derer er sich in seinem Vortrag bediente.

Um es kurz und knapp zu sagen: Er griff oft und gerne auf die seit den alten Griechen allseits beliebte rhetorischen Figur der Hyperbel zurück. Lassen Sie mich an dieser Stelle dazu ein kurzes Exzerpt machen. Die Hyperbel in der Disziplin der Rhetorik ist eine Übertreibung zum Zwecke der Unterstreichung eines Inhalts. Ein berühmtes Beispiel stammt aus der Bibel: das Gleichnis vom Nadelöhr. Sie wissen, eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt (Mk 10,25).
Leider bediente sich der geschätzte Kommentator besagten stolzen Stilmittels gestern in einer eher missglücklichten Art und Weise. Aber hören Sie selbst:

Ist Uruguay bereit, mehr in die Offensive zu investieren, wohlwissend dass da auf der Gegenseite der vielleicht beste Konterspieler der Welt steht, Mbappe, der mit dem Ball am Fuß zehnmal schneller ist als jeder Normalsterbliche ohne Ball.

Fragen drängen sich hier auf. Ist es wirklich sinnvoll, eine Hyperbel zu verwenden, nur um sie schon eingangs vorsorglich abzuschwächen («der vielleicht beste Konterspieler der Welt»)? Trägt es wirklich zur Klärung des Sachverhalts bei oder ist es nicht vielmehr verwirrlich, für das einfache Attribut «äussert schnell» komplex gestrickte Hyperbeln heranzuziehen wie «mit dem Ball am Fuss zehnmal schneller» zu sein als «jeder Normalsterbliche ohne Ball»?

Aber item. Ich wünsche Ihnen trotz allem einen vergnüglichen weiteren Verlauf dieses Wettbewerbs und verbleibe mit freundlichen Grüßen, Ihre I. v. Mueller-Fridnau.

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21 Kommentare zu “Frau Professor erklärt das Hyperbolische am Fussi”

  1. Newfield sagt:

    Schweizer Fussikommentatoren analysieren … kann man frau machen.

  2. Natischer sagt:

    Wer ist denn am Ende eigentlich Weltmeister geworden?

  3. Rrr sagt:

    Russland. Warum fragen Sie?

    Frau v. Mueller-Friednau olé olé!

  4. Rrr sagt:

    Ein normalsterblicher Fussballprofi kriegt vielleicht 30 km/h hin. Mbappé also 300? Und das mit dem Ball am Fuss? Das ist aber schon eindrücklich.

  5. sitting dino sagt:

    Ich denke, die Billagmillionen werden punkto Fachwissen und Sprachausdruck gut umgemünzt.

  6. Natischer sagt:

    Die Brasilianer erinnerten gestern an Italien:

    Als es wirklich, wirklich, wirklich nicht mehr anders ging, fingen sie doch noch an, Fussball zu spielen. Leider zu spät.

    ————————-
    Hup België hup!

  7. Newfield sagt:

    Frau v. Mueller-Friednau olé olé!

    Meine Worte.
    Vor allem gefällt mir das professorale missglücklicht. But anyway, ein Hugo für die Dame!

  8. Milito sagt:

    Endlich, ein Akademikerblog! Allerdings sollte es ex eventu heissen, Frau Müller-Fridnau.

  9. Alleswisser sagt:

    Frau v. Mueller-Friednau olé olé!

    und auch Frau Götti olé olé!

    Jetzt sollte nur noch SVE-ENG olé olé werden…

    … wobei ich leider davon ausgehe, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Ball ins Tor gelangt (Ausnahme Penalty oder später Penaltyschiessen)

  10. Alleswisser sagt:

    grrrrrrrr, 30 Sekunden zu früh “Kommentar abschicken” gedrückt,,,

    ,,,, hatte mir vorhin noch überlegt ob ich statt “Penalty” doch nicht lieber “nach Corner von links” hätte schreiben sollen!

  11. Rrr sagt:

    SVE-ENG, Spiel des Jahrhunderts!!!

  12. Verteidiger sagt:

    Das Spiel ist aber noch nicht fertig. Und das Jahrhundert auch nicht.

  13. Shearer sagt:

    * * hicks * *

    Tell yer ma, yer ma
    We’re not coming home for tea
    We’re going to Lushniki
    Tell yer, ma, yer ma!

  14. Newfield sagt:

    SVE-ENG, Spiel des Jahrhunderts!!!

    Neinein, das war YB:FCL. But anyway, nach dem Viertel- ist vor dem Halbfinal …

    … and cheers Herr Shearer!

  15. spitzgagu sagt:

    Herzlichen Dank für Ihre Wünsche, verehrte Frau Götti äääh Frau Professor. Bisher gefällt mir der heutige Spieltag ausgezeichnet.

  16. Rrr sagt:

    Jetzt aber hopp Kroatien, da spielen ja zwei meiner Mandanten. Also spielen tut nur Modric, aber Kovacic wäre auch noch im Kader.

  17. Herr Maldini (C) sagt:

    Ärgerlich für Kroatien, dass Petric schon pensioniert ist.

  18. Alleswisser sagt:

    gerne fasse ich zusammen:

    – Modric ist ein Penaltyschiessen-Glückskind
    – Akinfejew hat eine gute WM gespielt und doch gilt auch für ihn zum Schluss: no touch – no gain
    – “Panenka”-Penalty ist grundsätzlich durchaus eine gute Option, aber nur in die Tormitte
    – “Panenka”-Penalty ist grundsätzlich gegen serbo-kroatische Goalies keine besonders gute Option. Die Goalies werden mit der Schussvariante “fallendes Laub” (=deutsche Übersetzung) seit frühester Jugend in jedem Training verarscht getestet und irgendwann haben Sie die Abwehrmechanismen verinnerlicht.

    Gute Nacht.

  19. Hängespitze sagt:

    Endlich widmet sich mal wieder jemand der Poesie des Fussikommentars und tritt somit in Notzens Fussstapfen! Allerergebendster Dank an Frau Prof. Mueller Fridnau! Oder darf ich Sie Ilse nennen.

    Bescheidener Wunsch eines sehr geneigten Lesers: Widmend Sie noch einen kleinen Exkurs dem Rueferschen Metaphern- und Chiasmenspiel.

  20. Frau v. Mueller-Fridnau sagt:

    darf ich Sie Ilse nennen

    Sie dürfen, aber nur ad privatim, wenn ich bitten darf.

    Ihrem Wunsch befürchte ich dich nicht nachkommen zu können, da ich mich generell eher mit komplexeren Fällen befasse.

  21. Hängespitze sagt:

    Aha, eine Dame mit Anspruch. Sehr erfreulich. Dennoch bedauere ich dies, denn dem Einfältigen gehört ja bekanntlich die Welt und somit oft leider auch die Meinung der gemeinen Massen. In diesem Sinne käme eine Abhandlung über Béla Réthy wohl uns beiden entgegen, aber daran tickern sich Ihre Kollegen aus der Nachbarschaft ja schon zu Genüge ab. Also sei’s drum, geniessen wir die stille Poesie der spielfreien Tage.