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Fussball in Nicht-Fussball-Büchern (H)

Newfield am Dienstag den 30. April 2013

Foto typähnlich

«Und so einsam, wie es ihm zuerst vorgekommen ist, ist es gar nicht gewesen. Weil er hat jetzt schon die längste Zeit einen Riesenlärm gehört. Zuerst hat er geglaubt, Einbildung, weil es hat fast geklungen, als ob gleich hinter dem Weinhügel ein Fußballstadion wäre, wie so ein Orkan von Tausenden Stadionbesuchern. Und was soll ich sagen, hinter dem Hügel ist wirklich ein Fußballstadion gewesen, und bestimmt ein paar tausend Zuschauer auf der Holztribüne, daß man geglaubt hat, jetzt und jetzt kracht sie zusammen, und Klöch auf einen Schlag ausgerottet.

Wie der Brenner das Plakat bei der Kassa gelesen hat, hat er erst verstanden, wieso die Mannschaft von so einem Kaff derart viele Zuschauer haben kann.

Weil natürlich Cup ist Cup. Und mit Oberwart haben die Klöcher eine Mannschaft aus der 2. Division gezogen, und Klöch spielt fünf Klassen tiefer. Da ist der Cup natürlich die große Chance für die Kleinen, da glaubt jeder Kleine, heute werfen wir den Goliath aus dem Cup, praktisch biblischer Zorn.

Jetzt sind diese Spiele natürlich gern ein bißchen auf der brutaleren Seite. Weil wenn die Kleinen eine Chance wittern, dann kennen sie nichts. Das gilt nicht nur für den Fußball. Das gilt auch oft einmal für ein kleines Land. Daß es gern einmal den Blutrausch kriegt, wenn die Gelegenheit günstig ist. Aber ich meine jetzt nicht speziell die Österreicher, mehr so eine generelle Überlegung.

Und der Klöcher Fußballplatz jetzt auch ein bißchen Hexenkessel, weil schon knapp vor Schluß, wie der Brenner hingekommen ist, und immer noch null zu null. Zwei, drei Klöcher Spieler sind schon mit Krämpfen auf dem Rasen gelegen, weil natürlich weit über ihre Verhältnisse. Auf auf, und geht schon wieder! Und die Oberwarter Stars einen Schuß nach dem anderen auf das Klöcher Tor. Aber der Tormann, das glaubst du nicht, ich sage nur: Zauberer. Und das ist noch eine Untertreibung.

Dann ein Foul von einem Klöcher Verteidiger, daß du die Knochen krachen gehört hast. Wie der Schiedsrichter den Klöcher Verteidiger ausschließt, will das Publikum den Schiedsrichter aufhängen. Aber unten die Polizei, Gott sei Dank, muß man da sagen. Marschieren sofort die Hundeführer auf. Das Publikum Schiß vor den Schäferhunden, hängt es den Schiedsrichter doch nicht auf.

Nach der Verlängerung ist es immer noch null zu null gestanden. Und jetzt natürlich Elfmeterschießen. Bei Oberwart hat der ehemalige Nationalstürmer Bacher gespielt, der hat natürlich den ersten Elfer geschossen. Ins Kreuzeck. Herrlicher geht es nicht. Aber der Klöcher Tormann noch herrlicher, fischt der den Ball aus dem Kreuzeck heraus.

Was soll ich lange reden, die Klöcher Unterliga-Spieler verwandeln alle Elfer und werfen Oberwart aus dem Cup. Und so eine Euphorie ist natürlich ansteckend, da ist der Brenner auf dem Heimweg in einer völlig anderen Stimmung gewesen als auf dem Hinweg. Und möchte man meinen, daß du in so einer Euphorie besser verdaust. Aber wie er um sieben wieder zum Löschenkohl gekommen ist, ist ihm das Hendl immer noch so im Magen gelegen, daß er keinen Hunger gehabt hat.»

(aus: Wolf Haas «Der Knochenmann», Rowohlt, 1997)

Etwas textlastig, der Beitrag, denken Sie nun bereits eine Weile. Ja, aber es gibt sogar noch mehr lesenswerte Fussballszenen in diesem Werk. Unter anderem wird nicht zuletzt (nämlich bereits auf Seite 36 der Taschenbuchausgabe, 8. Auflage, Februar 2003) Grundsätzliches geklärt:

«Wenn du heute eine Fußballmannschaft hernimmst, ist es oft eine schwierige Frage, wer der Wichtigste ist. Der eine wird sagen: der Trainer, der andere wird sagen: der Torschützenkönig. Dann darfst du den Regisseur nicht vergessen, und heute neue Theorie: das Kollektiv ist alles, und Star nur schädlich. Beim FC Klöch hat natürlich nach dem Cupsieg so mancher Außenstehende geglaubt, der Tormann Milovanovic ist der Wichtigste. Ist er aber nicht.»

Genug Buch nun. Noch kurz zur siebten Kunst, die ich in diesem konkreten Fall nicht kenne: Ist in der Verfilmung der Livefussball enthalten? Und wenn ja, gut inszeniert? Im Trailer ist von diesem Sport jedenfalls keine Rede – und auch kein Bild.

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21 Kommentare zu “Fussball in Nicht-Fussball-Büchern (H)”

  1. Alleswisser sagt:

    interessant, danke.

    2 Korrekturen:

    den ersten Elfer geschossen. Ins Kreuzeck. Herrlicher geht es nicht. Aber der Klöcher Tormann noch herrlicher, fischt der den Ball aus dem Kreuzeck heraus. (aus: Wolf Haas «Der Knochenmann», Rowohlt, 1997)

    somit muss Penalty nachträglich wiederholt werden und Roman umgeschrieben werden. Gemäss der damals gültigen Regel (kein vorzeitiges Bewegen), war es dem Goalie nicht möglich, einen Penalty aus dem Lattenkreuz abzuwehren!

    der Tormann Milovanovic ist der Wichtigste. Ist er aber nicht.

    klar ist er es!

    Guten Tag etwas nachträglich noch.

  2. Dr.MadR sagt:

    Weltliteratur – nur Hilfsausdruck

  3. Shearer sagt:

    Ist in der Verfilmung der Livefussball enthalten? Und wenn ja, gut inszeniert? Im Trailer ist von diesem Sport jedenfalls keine Rede – und auch kein Bild.

    Nein, leider nicht. Überhaupt ist die Verfilmung nur halb gut gelungen, leider.

  4. Val der Ama sagt:

    halb gut gelungen

    Find ich auch. Leider.

  5. Harvest sagt:

    Überhaupt ist die Verfilmung nur halb gut gelungen, leider.

    Diesem Textausschnitt nach zu beurteilen, gilt dies auch für das Buch.

  6. dres sagt:

    Vielen Dank, dass hier mal ein bisschen Literatur behandelt wird. Folgende Aussage hat schon Gotthelf in Ueli der Knecht bestätigt:

    (…) und heute neue Theorie: das Kollektiv ist alles, und Star nur schädlich.

    „Zuwenig und zuviel verderben alle Spiel!“„Das Andauernde, Stätige ist viel schwerer als einzelne Heldentaten.“

  7. Pelocorto sagt:

    Fussball wurde bereits in der Bibel abschliessend behandelt. Ich danke Ihnen.

    Für Real Madrid heute Abend gilt:

    Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein … sondern alles liegt an Zeit und Glück.
    Prediger 9,11; Judit 9,15; Tobias 13,11

    Für Borussioa Dortmund hingegen:

    Viele blieben erschlagen liegen bis an das Tor.
    Richter 9,40; 2. Mose 20,13

    Für Messi morgen gilt; eigentlich wie immer:

    Sie umgeben mich von allen Seiten; aber im Namen des Herrn will ich sie abwehren.
    Psalm 118,11; Habakuk 1,9

  8. Milito sagt:

    noch so ein Bettelmöch…

  9. dres sagt:

    Herr Pelocorto, die Replik zu Borussia Dortmund folgte ein paar Jahre später im Koran:

    „Werdet daher nicht matt und ladet (sie) nicht ein zum Frieden, während ihr die Oberhand habt; …“

  10. Je sagt:

    Diesem Textausschnitt nach zu beurteilen, gilt dies auch für das Buch.

    Finde ich jetzt nicht. 5:1 nur Hilfsausdruck, quasi.

  11. Shearer sagt:

    Diesem Textausschnitt nach zu beurteilen, gilt dies auch für das Buch.

    Mitnichten. Aber dem Herrn Haas sein Satzbau ist schon arg gewöhnungsbedürftig.

  12. Pelocorto sagt:

    Aber dem Herrn Haas sein Satzbau ist schon arg gewöhnungsbedürftig.

    Hauptsache, der Kommentieren Kommentare verhelfen zur Klarheit derselbigen in denselbigen.

  13. dres sagt:

    Hauptsache, der Kommentieren Kommentare verhelfen zur Klarheit derselbigen in denselbigen.

    Selbiger Satz ist ein Seich.

  14. Pelocorto sagt:

    Haben eigentlich die verschiedenen Grüntöne im Beitrag eine tiefere Bedeutung, Herr Newfield?

  15. Val der Ama sagt:

    Eine Referenz an Werder?

  16. Pelocorto sagt:

    Weil wenn die Kleinen eine Chance wittern, dann kennen sie nichts.

    Ich dachte spontan an den FC St.Gallen.

  17. Newfield sagt:

    Haben eigentlich die verschiedenen Grüntöne im Beitrag eine tiefere Bedeutung, Herr Newfield?

    Gemähter Rasen, optische Abwechslung, wie im Stadion quasi.

    Apropos Werder frage ich mich dann jeweils immer, wer da nun wen beeinflusst hat, also der Haas den Val der Ama oder umgekehrt oder, nicht vergessen, auch Zufall im Spiel.

  18. Val der Ama sagt:

    also der Haas den Val der Ama oder umgekehrt oder, nicht vergessen, auch Zufall im Spiel.

    Sowohl als auch. Also was den Zufall und ersteres aber nicht das andere betrifft, weil der Haas kennt den der Ama nicht aber umgekehrt. Wobei und das nicht rechtfertigend der der Ama ja schon immer so, weil er wohl auch gar nicht anders kann und weil er als Relativ- oder auch Anderspronomen einzig weil kennt und verwendet. Deshalb. Aber es gibt Schlimmere!

  19. Newfield sagt:

    And cheers, you Herr Val der Ama!

  20. Pelocorto sagt:

    Gemähter Rasen, optische Abwechslung, wie im Stadion quasi.

    Raffiniert!
    Ich freue mich auf die erste literarische Längs- und Quermähung in einem Beitrag! John Deere statt John Steinbeck sozusagen, wie wir Tondeusenanhänger gerne kurzschneiden.

  21. Newfield sagt:

    Hihi und Tondeusen olé!