Rock ’n’ Roll Hinterland

B wie Backstage: Beat Schlatter macht sich ein Bild von seinem Leben hinter der Bühne.

Stade de Suisse, Bern

In der Garderobe steckt unser Warten. Immer wenn der Schauspieler und Entertainer Beat Schlatter auf Tournee ist, fotografiert er den Backstage-Bereich, es ist sein Reduit vor und nach den Auftritten. In den dreissig Jahren seiner Bühnenkarriere sind da viele Bilder zusammengekommen. Rund 250 davon zeigt Schlatter in seinem neuen Buch «Rock ’n’ Roll Hinterland».

Es ist eine grossartige Depro-Diaschau auf Papier. Ein gestapelter Wahnsinn des Gewöhnlichen. Wir sind mit Schlatter unterwegs vom Kiff in Aarau bis zum Zürcher Volkshaus, dazwischen liegen Stationen im Mittelland (und auch ein Abstecher in den Europapark). Der Eindruck, den diese Schweiz im Backstagebereich macht, ist erstens einmal: unscharf. Schlatter knipst einfach drauflos. Zum anderen zeigt er sehr präzis: Ob Theater, Mehrzweckhalle oder Gemeindesaal, überall zeigt sich eine grosse Leere.

Altes Warteck Restaurant, Basel

Klinik St. Katharinental, Diessenhofen

Tellspielhaus in Altdorf.

 

Sportschützen, Würenlos

Europa-Park, Rust

Ski-WM, St. Moritz

Landschaftstheater, Ballenberg

Eidgenossen (Restaurant), Appenzell

Hotel Bären, Suhr

 

Mehrzweckhalle, Sitterdorf.

Maiers Theater, Zürich

SRF Jeder Rappen zählt, Europaplatz Luzern

Café Mokka, Thun

Altes Bezirksgefängnis, Hinwil

Letzigrundstadion, Zürich

Garderoben haben ihre absolute Wahrheit, sagt Beat Schlatter, deshalb seien sie auf seinen Bildern auch leer, Menschen würden da nur stören. Möbliert ist diese Leere mit der Grundausstattung von Künstlergarderoben: Stuhl, Schminktisch, Spiegel, Lampe, Lavabo. Und oft wird die absolute Wahrheit noch multipliziert mit gestapelten Stühlen, Medizinbällen oder Jesus an der Wand. Und mit den obligaten Fläschchen Mineral.

Man sieht auf die B-Seite einer Künstlerexistenz. Nüchtern ist da vieles arrangiert, als würden die Garderoben neben dem «Bitte nicht rauchen» sagen: Wir sind kein Daheim. Die Bühne, das ist die Welt der Illusionen, dahinter aber liegt: die Abstellkammer.

Gegen die Bitterkeit dieses Backstage-Gefühls steht auf einem Kärtchen: «Herzlich Willkommen». Zur Willkommenskultur gehört der Früchtekorb. Früchtekorb in Ufhusen, Früchtekorb in Bern, Früchtekorb in Mels, Chur, Däniken. Einmal hat Beat Schlatter einen Veranstalter gefragt, warum man ihm immer eine Früchteschale in die Garderobe stelle. Der Veranstalter sagte einfach: «Herr Schlatter, das steht bei Ihnen so im Vertrag.»

 

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Beat Schlatter: Rock ’n’ Roll Hinterland.
Swiss Backstages. Hg. von A. C. Kupper.
Scheidegger & Spiess, Zürich 2017,
208 S., 49 Fr.

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