Flanieren auf dem Reissbrett
Grössenwahn oder Investition in die Zukunft? Damian Poffet besuchte die chinesische Retortenstadt Kangbashi.
Wer die Behörden fragt, der bekommt eine Behördenantwort: Sämtliche Wohneinheiten seien verkauft, heisst es, alles nach Plan. Man kann aber auch die Bauarbeiter fragen, und die berichten Journalisten aus dem Westen dann von den Rostflecken an den neuen Wohnblocks und davon, dass die frisch gebaute Stadt schon wieder zerfalle. Es gibt Schätzungen, nach denen hier bis heute nur 5000 Menschen leben. Gebaut wurde Kangbashi für 300’000; gar eine Million sollen es später einmal sein.
Damian Poffet war dort, in der Retortenstadt in der chinesischen Mongolei. Jetzt zeigt der Berner Architekturfotograf seine Bilder aus Kangbashi an der Zürcher Messe Photo 18, und sie erzählen beileibe nicht die Behördenversion vom Gelingen des Vorhabens, binnen eines Jahrzehnts eine Metropole aus dem Wüstenboden zu stampfen, nachdem ums Jahr 2000 in der Gegend enorme Gas- und Ölvorkommen gefunden worden waren.
Tatsächlich sind solche An- und Umsiedlungsprojekte in China immer auch Wirtschaftspolitik: Der Staat verschiebt die ländliche Bevölkerung in neue urbane Zentren und kurbelt damit nicht nur die Immobilienbranche an, sondern verschafft seiner Ökonomie auch die Konsumenten, die sie für ihr Wachstum braucht. Dabei ist Kangbashi nicht der einzige Ort in China, wo das offenbar nicht recht funktionieren will. «Spektakuläre Planungen von Stadtzentren ohne wirkliche Funktionen, leer stehende Appartementkomplexe als blosse Anlageobjekte, akkurat gepflegte Parks ohne Besucher: All das findet sich auch andernorts», schreibt der Architekturkritiker Hubertus Adam zu Damian Poffets Bildern.
Zwar muss man auch bei Poffet die Menschen suchen. Die Boulevards in den Wohnquartieren sind so leer wie die Plätze um die monumentalen öffentlichen Bauten. Trotzdem ist Kangbashi hier nicht die Geisterstadt, die man aus den internationalen Medien kennt, nicht das plakative Exempel eines gescheiterten planerischen Grössenwahns. Es sieht hier vielmehr alles nach einer offenen Zukunft aus. Vielleicht ist diese Stadt ja nicht bereits gescheitert; vielleicht ist ihre Zeit einfach noch nicht gekommen. Und vielleicht sind auch schon im nächsten Moment jene Menschenmassen da, auf die diese künstliche Oase in der mongolischen Wüste wartet.

4 Kommentare zu «Flanieren auf dem Reissbrett»
Also, wenn da deutsch oder Englisch gesprochen würde, könnt ich es mir schon vorstellen. Die Co2-Abgaben da können nicht so schlimm sein. Das land selber ist gar nicht soo arm, hat wertvolle bodenschätze, und Platzangst wie in einer zürcher Wohnung kennt man sicher auch nicht ;)
Am Ende kommt was ich anfangs dachte. Es wurde auf Vorrat gebaut, damit Zahlen in der Statistik nicht zu sehr nach Fake aussehen, was man an China seit Jahren kritisiert. Aber, wenn es stimmt was die Arbeiter berichten, dann haben die Planer und die KP letztlich ein Problem, wie bei den Sandhüsli bei Erdbeben, denn das Volk ist ja nicht blind und blöd. Also zerbröselnde Zukunft scheint mir da fast ein wenig Omen zu sein. China hat extrem viel vor und sehr hochtrabende Pläne wie es zuvor in dieser Dimension noch nie dagewesen ist! Und es zeigt, dass China mehr will. Und das ist weit weniger gut. Das werden auch die China-Fans noch lernen müssen. Ich sehe früher Philosophie, aber heute sehe ich vor allen viel ohne Sophie (nein nicht die Frau!).
Damienpoffet.com, nicht .ch
Besten Dank, haben wir so angepasst.