Das Spotify des 19. Jahrhunderts

Als Musikdosen aus dem Waadtland der letzte Schrei waren.

Mechanischer Singvogel: Ein Junge bestaunt eine Musikdose in der Form eines Vogelkäfigs. Der Vogel bewegt seine Flügel zur Musik. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Die Ortschaft Sainte-Croix im Waadtland war ein Epizentrum der frühen Musikdosenindustrie. Im Jahr 1865 eröffnet Charles Reuge eine Werkstatt, in der er Musik-Taschenuhren herstellt und verkauft. Zehn Jahre später entsteht die Firma Paillard SA, welche bis zu 600 Mitarbeiter(innen) beschäftigt. Das gleiche Unternehmen erzeugte später Radios, Hermes-Schreibmaschinen und die berühmten Kino- und Filmapparate der Marke Paillard-Bolex. Zeitweise arbeiten bis zu 1500 Leute in der Spieldosenindustrie. Auch die weltberühmten Plattenspieler der Firma Thorens haben ihren Ursprung in Sainte-Croix.

Schatztruhe: Musikdosen gibt es bis heute in verschiedenen Formen und Grössen, und die Preise variieren stark. Diese ist sowohl gross als auch teuer. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

An den Ufern des Mexico River: Der Cowboy auf der Musikdose schlägt seine Gitarre passend zum Lied an, welches die Mechanik erzeugt. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Zu Tanz: Zwei Mädchen sind fasziniert von einer Musikdose mit tanzenden Paaren, die sich zur Musik bewegen. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Eine der ersten Musikdosen: Ein Plüschhase spielt auf seiner Geige, während die Musik läuft. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Die Ortschaft erlebt einen regelrechten Boom, und mehrere Waadtländer Firmen sind an den Weltausstellungen in Paris (1867), Philadelphia (1876) und Antwerpen (1885) vertreten. Als 1870 die Lochplatten-Musikdose erfunden wird, kommt man der späteren Schallplatte immer näher. Die Menschen sind fasziniert, als Thomas Edison 1877 das Grammofon erfindet. Aufgrund der Konkurrenz durch das Grammofon diversifiziert die Musikdosenindustrie in kleine Räderwerke für Spielzeuge und grosse Modelle für das Luxussegment. Als amerikanische Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg in ihre Heimat zurückkehren, verhelfen sie den Musikdosen zu erneuter Beliebtheit. Die kleinen Musikdosen und Singvögel stehen als Zeichen für den Sieg und den Beginn eines neuen Lebens. Heute hat sich die Produktion der kleinen Musikdosen nach Asien verlagert, das weltweite Luxussegment wird jedoch weiterhin von der Waadtländer Firma Reuge dominiert. Grosse Musikdosen werden teils zu Preisen eines Kleinwagens gehandelt.

Viele Kreise: Viele Spulen sind im Uhrwerk einer Musikdose. Zu jener Zeit waren Musikdosen noch eine Seltenheit. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Der zentrale Mechanismus der Musikdosen existiert in verschiedenen Grössen und Formen. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Musik aus der Box: Der Journalist Jean Texciert hört Musik aus seiner Musikdose. (Aufgenommen ca. 1947, Roger Viollet/Getty Images)

Schräge Sammlung: Eden Recor präsentiert seine Musikdosensammlung. Die Dose mit dem Mann und dem Schwein war bereits damals 100 Jahre alt, und die lange Holzbox stammt aus der Schweiz und wurde ca. 1830 gebaut. (Aufgenommen ca. 1972, Denver Post, Getty Images)

Der Vorgänger des Grammofons: Die Lochplatten-Musikdose «Regina». (Aufnahmejahr unbekannt. USC Libraries/Corbis/Getty Images)

Leah Walton legt auf: Die Inhaberin des Black Bull Hotel in Wark hört eine Platte auf ihrer Vintage-Jukebox. (10. Februar 1970, NCJ Archive/Mirrorpix/Mirrorpix/Getty Images)

Advertisement for the Stella Music Box by the Jacot Music Box Company, New York, Schweizer Qualität: Eine Werbeanzeige des Musikdosenherstellers Jacot für die Musikdose «Regina». (Aufgenommen 1899, Jay Paull/Getty Images)

Die Technologie schreitet voran: Der neuste Wurf der Schweizer Musikdosenhersteller. (Aufgenommen ca. 1955, Orlando/Three Lions, Getty Images)

Musikalisches Rendez-vous: Leise Musik erklingt aus der kleinen Jukebox an der Wand in einem New Yorker Café. (Aufgenommen ca. 1950, PhotoQuest/Getty Images)

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Das Museum Cima (Centre International de la Mécanique d’Art) befindet sich in Sainte-Croix, im Kanton Waadt, in der Nähe Yverdons. Im Museum sind Musikdosen, Automaten, Singvögel, ein Zauberwald und  andere Kuriositäten aus einer anderen Zeit ausgestellt. Ausserdem beherbergt es eine kleine Werkstatt für Kinder sowie einen kleinen Shop der Firma Reuge. Die Gegend verfügt über ein breites Kulturerbe im Bereich der mechanischen Kunst (Musikdosen, Automaten, Uhren) und anderer Gebiete. Die Museen Cima, Baud und das Musée des Arts et Sciences haben beschlossen, sich in einem einzigen Museum zusammenzuschliessen, um deren ausserordentliche Sammlungen aufzubewahren. Weil die Museen sehr klein sind, können sie teilweise nur auf Voranmeldung und in Kombination mit einer Führung besucht werden. Mehr Informationen zum Museum CIMA finden Sie hier.

Ein Kommentar zu «Das Spotify des 19. Jahrhunderts»

  • Kurt Akermann sagt:

    Das neu eröffnete Klang-Maschinen-Museum in Dürnten im Zütcher Oberland beherbergt alle diese Geräte ebenfalls. Im weiteren gibt es noch diverse Orchestrions und Orgel (Tanz und Chilbiorgeln) zu bestaunen. Ein Besuch lohnt sich dort ebenfalls. Öffnungszeiten sind auf der Homepage publiziert.

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