40 Stiche können es schon sein
Nepals Indigene ernten den Honig an Klippen nistender Bienen. Renan Ozturk ist mit ihnen in schwindelerregende Höhen geklettert.
In hundert Meter Höhe hängt Mauli Dhan an einer Strickleiter, umzingelt von Bienen und umhüllt vom Rauch, der sie ruhigstellen soll.
Der einzige Weg, wütenden Bienen zu begegnen, sagt Mauli, sei, keine Angst zu zeigen. Schmerzresistent müsse man trotzdem sein, denn wenn man an den rotgoldenen Honig der Kliffbiene wolle, kriege man schon ein paar Dutzend Stiche ab, pro «Ernte».
Mauli muss es wissen. 57 ist er jetzt; über vier Jahrzehnte steigt er schon die Felswände Westnepals hoch, wo die dort heimischen Bienen ihre Waben wie Schwalbennester an die Klippen pappen, oft hundert Meter in der Höhe. Dort hinzukommen, ist nicht ohne; allein, bis die Leiter aus Bambusseil am richtigen Ort hängt, kann es Stunden dauern.
Auf dem Weg zur Steilwand: Maulis Kollege überquert eine improvisierte Bambusbrücke. Auf seinem Rücken trägt er die zusammengerollte, rund 55 Kilo schwere Strickleiter.
Bevor die Honigjagd beginnt, zerbricht der Schamane ein Ei vor dem Altar der Schutzgeister. Ein einwandfreies Inneres verspricht eine erfolgreiche Ernte.
Dann geht es für Mauli nach oben.
Und so sieht das aus der Perspektive des professionell gesicherten Fotografen aus.
Während Mauli das Bienennest vom Felsen trennt, hält es sein Helfer Asdhan (r.) ruhig und bindet die losgelösten Teile an Seilen fest.
Dann gehts hoch, meist zu zweit; einer räuchert die Tiere ein, der andere schneidet die Waben von der Wand. Augen und Mund hält man, wenn immer es geht, geschlossen, und wenn die Tiere einen besonders schlechten Tag haben, hilft ein Mantra der Kulung, des indigenen Volksstammes, dem auch Mauli angehört: «Ihr seid die Bienengeister. Bitte fliegt! Bitte geht weg!»
Danach wieder runter mit der Beute, Leiter zusammenrollen, alles zurück ins Dorf tragen. 50, 60 Kilo pro Mann kommen da schon zusammen. Aber was will man machen? Es ist eine Ehre, diesen Honig zu gewinnen. Nur, wen die Bienengeister im Traum dazu einluden, ist berechtigt, in die Klippen zu steigen. Und ausserdem bringts Geld: Der «Mad Honey», zu dem die Bienen den toxischen Nektar des wilden Rhododendrons verarbeiten, bringt auf dem Schwarzmarkt 150 Dollar pro Kilo: als Hustensirup – oder als Potenzmittel.
Mit zugekniffenen Augen kämpft sich Mauli die Klippe hoch. Die aufgescheuchten Bienen setzen ihm zu.
Fette Beute: Acht Nester voller Honig hat das Team heruntergeholt.
In einem Camp trennen die Männer Honig und Wachs von toten Bienen.
Asdhan kontrolliert die Temperatur des abkühlenden Bienenwachses, der danach auf Steinen zu Würfeln geformt wird.
Asdhan posiert im Camp für ein Foto mit einem Wachswürfel. Jugendliche sind gekommen, um den Männern beim Rücktransport ins Heimatdorf Saddi zu helfen.
Die Frauen arbeiten derweil auf dem Weizenfeld, das oberhalb des Dorfes gelegen ist.

Egal ob in den eisigen Höhen des Himalajas, im Dschungel Borneos oder in afrikanischen Wüsten: Der Bergsteiger, Fotograf, Abenteurer und Filmemacher Renan Ozturk ist als Mitglied des North-Face-Athletenteams an den entlegensten Orten dieser Welt im Einsatz. Seine spektakulären Reportagen erschienen u.a. im «National Geographic» und dem «Outside Magazine».
4 Kommentare zu «40 Stiche können es schon sein»
ich bin gegenliest Leute wo immer und überall alles ausspionieren und filme machen…. durch diese Leute kommen nachrichten in die Weltöffentlichkeit ….und so werden früher oder später zivilisierte auf marschieren und diese Kulturen zerstören…wie es überall der fall war und ist….!! sehr schade dass man diese menschen nicht in ruhe lassen kann….!!!
Bin Ihrer Meinung!
Das Problem dabei sind aber weniger die Berichtenden, sondern eher die ‚Zivilisierenden‘.
@J. Schweizer: Sie sind äusserst blauäugig.