Das etwas andere Fest

Opulent, theatralisch und extravagant: Adrian Moser fotografiert eine jenische Hochzeit.

Die Tänzerin hat sich der Schuhe entledigt. Sie schunkelt jetzt barfuss durch die Nacht. Und ihr Gegenüber hat seine satinierte Weste ebenfalls längst schon abgelegt. Wir sind an einem Hochzeitsfest, während dessen Verlauf die Temperaturen steigen und die Kleiderregeln fallen.

Wir sind Zaungäste und sehen: Hier wird mit Lust zur Opulenz gehei­ratet, theatralisch extrovertiert, mit Offenheit fürs Sinnliche, ohne Berührungsängste vor der Bild- und Kleidersprache des Showbizz. Doch da sind Kontraste: Die Stabellen aus Lärchenholz sind währschaft, das Örgeli klingt urbündnerisch. Und draussen steht ein schmuckes Scharotl, ein hölzerner jenischer Wagen.

Wer heiratet so? Es ist das jeni­sche Paar Charles und Marianna Ostertag. Die beiden sagen ­Ja zum langen, gemeinsamen Weg im flüchtigen Alltag des Campingplatzes Rania bei Zillis GR, der auch als Stand- und Durchgangsplatz dient. Sie sind hier fern von ihrem amtlichen Zuhause. Als Traulokal wählen sie die gruftige Kulthöhle unweit der Kirche von Zillis. Später flackert im Freien ein offenes Feuer. Reden, trinken, tanzen. Umarmungen, Zigaretten, Tränen.

Wohin führt uns «Bund»-Fotograf Adrian Moser mit seinen Bildern? Sie sind zunächst ein zeitgeschichtliches Dokument, das Aussenstehende an eine Hochzeit heutiger Jenischer mitnimmt. Die Bilder deuten die intensiv empfundene Identität Jeni­scher an und lassen doch offen, was heute die typische jenische Hochzeit ausmacht. Anders darf es nicht sein: Die typische jeni­sche Hochzeit gibt es nämlich nicht, denn sie ist ein sehr freies Spiel mit allen Ausdrucksformen und Stilmerkmalen des Jenischseins. Nichts Normiertes. Nichts Strukturiertes. Auch nichts übermässig Exotisches.
Vielleicht bildet sie sich erst noch heraus, die «typisch jenische Hochzeit». Bis anhin war unter Jeni­schen eher das Nichtheiraten Tradition. In ihrem Distanzgefühl der Obrigkeit gegenüber suchten – und suchen – längst nicht alle Jenischen den institutionellen Segen.

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