Das wilde Leben des Kartons
Lucas Ziegler hat Skulpturen aus Abfällen geformt und abgelichtet. Drei ausgezeichnete Arbeiten des diesjährigen Nachwuchswettbewerbs der VfG.
Zum Glück gibt es Lucas Ziegler. Zum Glück war er da. Ohne ihn wüssten wir nichts vom heimlichen Treiben, das sich in Zürichs Quartieren abspielt, und zwar immer in den Nächten vor der Kartonabfuhr. Wundersames Material! Es häuft und türmt sich, mauert Fenster und Türen in den Erdgeschossen zu, vollführt Artistik an Ecken und Pfosten und bildet Figuren nach einer Logik, die nicht von dieser Welt ist.
Und wenn es wirklich so wäre? Wenn also dieser Ziegler, Fotograf und Student an der Zürcher Hochschule der Künste, nicht selbst Hand angelegt hätte auf seinen nächtlichen Expeditionen? Das Erste, so erzählt er, sei sein Staunen gewesen – über die enorme Sorgfalt der Leute beim Bündeln und Bereitstellen des Abfalls. Zweitens dann: die Frage, wie hoch sich Karton zu Türmen aufstapeln lässt. Und drittens: die freiere Formung komplexerer Skulpturen, aber ohne Klebeband und nur mit dem gerade vorhandenen Material, das ja stets etwas Charakteristisches, «Persönliches» habe. Boxen von Sprüngli zum Beispiel kämen eher an besseren, Pizzaschachteln dagegen an allen möglichen Wohnlagen vor.
Drei bis vier Werke hat Lucas Ziegler pro Nacht geschafft, teils unter strenger Beobachtung von Anwohnern, bevor er sie fotografiert und wieder abgebaut hat. Es ist das harte Blitzlicht, das seinen Aufnahmen die In-flagranti-Ambiance von Tatortfotografien verleiht. Von einer «Stadterfahrung» spricht die Jury des Nachwuchswettbewerbs der VfG, der Vereinigung fotografischer Gestalter: Sie hat Zieglers Serie «Laying Out» soeben mit dem dritten Preis ausgezeichnet.
Ist dieser Karton jetzt Kunst? Die Frage kennt Ziegler von den Streifenpolizisten, die mitunter auf ihn aufmerksam wurden. Seine Antwort: Schwer zu sagen. Ihre: Schönen Abend.
Der Gewinner des VfG-Nachwuchsförderpreises: Laurence Kubski – «Domesticate»
Publikationen über Tiere sind normalerweise für Jäger, Naturfotografen, Umweltschützer und Tierhalter vorgesehen. Die junge Fotografin findet aber, die Tiere verdienten ein eigenes Themenfeld jenseits dieser spezifischen Kontexte. Während der letzten drei Jahre hat sie an verschiedensten Orten zu diesem Thema gesammelt.
Im Fukuro Café in Tokio können Besucher Zeit mit nachtaktiven Raubvögeln verbringen.
Eine lebendige Blaue Schwimmkrabbe, die Kubski auf einem Markt in Hongkong gefunden hat.
Ein traditionelles Gerät, das vor allem in Japan für Unterwasserbeobachtungen benutzt wird.
Zwei Bilder, die mit einer Fotofalle aufgenommen wurden.
Ein teurer Singvogel in einem geschnitzten Käfig.
Insektenkistchen aus Shanghai.
Eine getrocknete Schlange, mit der in China Arthritis behandelt wird.
Ein Schnappschuss eines Dokumentarfilmers.
Zweiter Platz: Sabina Bosch – «Elusive Matter»
Das Ziel dieses Projekts sei es, eine neue Perspektive auf den Körper zu bekommen, ihn als rohes Material zu behandeln. Durch den ungewohnten Blick wird der Betrachter gezwungen, Körper auf eine neue, ungewohnte Art anzuschauen.
Die Ausstellung zum Wettbewerb:
Photobastei, Zürich (bis 15. Oktober)
Oslo 8 @ Büro, Basel (ab 26. Oktober)
Galerie L’Elac, Renens (ab 7. Dezember)
4 Kommentare zu «Das wilde Leben des Kartons»
Liebe Frau Kubski
Könnten Sie ihre schönen Installationen nicht doch stehen lassen? Diese sind dann ein paar Stunden später viel „gäbiger“ für die Sammelequipen zum Abholen.
Herr Lucas Ziegler natürlich, sorry die Verwechslung.
Und übrigens Laurence Kubski ist eine Frau.
danke für den hinweis. wurde korrigiert.