So viel Schönes wie nur möglich
Als ob sie in der Kirche wären: Walter Studer hat die Bauersleute fotografiert, die 1955 in Trubschachen den Blick auf die hohe Kunst wagten.
Wenn sich das Volk nicht in die Museen traut, dann muss die Kunst zu den Leuten: Das ist das Faszinierende an den Vorgängen, die sich alle paar Jahre in einem Dorf im Emmental abspielen. So wie derzeit gerade wieder.
Trubschachen also – zwei Schulhäuser und eine Turnhalle, die drei Wochen zum Museum für Schweizer Erstligakunst werden, und das dank mehr als 400 Freiwilligen («Kleiner Bund» vom 3. Juli). Wobei die nicht nur die Kasse oder die Garderobe hüten, sondern den Besuchern beispielsweise auch die Leuchtkraft eines Sonnenuntergangs von Félix Vallotton erklären. Und zwar als Laien für Laien: so, dass es jeder versteht.
Wie das alles begann, zeigen die Bilder, die der Berner Fotoreporter Walter Studer 1955 in Trubschachen machte. Es war der dortige Dorflehrer Walter Berger (1906–1981, Bild oben, 2. von Links), der in der Schulstube zunächst einige Werke des befreundeten Malers Cuno Amiet aufhängte, damit seine Schüler lernten, «die Welt auch mit anderen Augen zu betrachten», bevor er dann auch die Leute aus der Gegend zu seinen kleinen Kunstschauen einlud. Es sei schliesslich nötig, fand Berger, «all dem Hässlichen, das wir täglich in die Welt setzen, so viel Schönes wie nur möglich entgegenzusetzen». Und tatsächlich: Was man in den Gesichtern der Bauern von 1955 sieht, ist nichts anderes als jenes «staunende Erleben», das die Organisatoren auch heute noch wecken wollen, da die Kunstausstellung Trubschachen zum Ereignis mit gegen 30 000 Besuchern geworden ist.
Man sieht in diesen Gesichtern neben dem Staunen allerdings auch jene Andacht, in die man mittlerweile so routiniert verfällt, wenn man ein Museum betritt. Haben die Bauern diese Ehrfucht im Gottesdienst gelernt? Und da ist noch etwas Merkwürdiges: So sonntäglich aufgemacht, sehen sie den Figuren plötzlich ganz ähnlich, denen Maler wie Albert Anker ein Denkmal setzten. Da kommt also die traditionelle bäuerliche Schweiz von den Höfen und Hügeln herab, riskiert den Blick auf die Kunst – und begegnet sich selbst.
vom 1. – 23. Juli 2017 statt.
4 Kommentare zu «So viel Schönes wie nur möglich»
Vielen Dank für diese eindrücklichen Bilder und Reportage.
Gibt es noch mehr Fotos und wo könnte man diese sehen?
Ich bin mir selber begegnet. So war ich als Kind auch gekleidet.
merci – schöni, iidrücklechi bilder
Bemerkenswert: Die Leute kleiden sich in Ihrem besten Gewand und besuchen eine für Sie fremde Welt.
Chapeau