Bewaffnet mit der Kamera
Ein im «Tages-Anzeiger-Magazin» publiziertes Foto-Tagebuch des Rekruten Koni Nordmann sorgte 1987 für scharfe Leserpost.
Eben noch das Studenten- und Fotografenleben in New York geniessend, musste Koni Nordmann im Sommer 1984 in die Rekrutenschule einrücken. Tenu Grün war angesagt. 17 Wochen lang unnütze Befehle, Leerläufe, Drill. Ein krasser Wechsel. Zum Glück hatte die «Schweizer Illustrierte», für die Nordmann gelegentlich als Freelancer im Einsatz stand, dem aufstrebenden Jungtalent eine Bewilligung organisiert, die ihm erlaubte, den militärischen Alltag uneingeschränkt fotografieren zu dürfen. Und während er mit seinem Gewehr eigenen Angaben zufolge das Ziel stets verfehlte, drückte er mit der Kamera meist im richtigen Moment ab. Auf alle Fälle traf seine in Tagebuchform verfasste Arbeit voll ins Schwarze. Sie wurde zwar nicht wie Vorgesehen in der SI veröffentlicht (zu provokativ), doch als sie im «Tages-Anzeiger-Magazin» erschien, war Feuer im Dach. Heute kaum mehr vorstellbar, sorgte die Bildreportage, angereichert mit eigenen Notizen und Max-Frisch-Zitaten, für emotionale Leserbriefe.

Koni Nordmann, 1962 in Zürich geboren, arbeitete nach dem Studium am ICP in New York als freier Reportagefotograf u.a. für «Das Magazin», «Du», «NY Times» und «Stern». Er ist Gründungsmitglied des Zürcher Ateliers KONTRAST und war zwischen 1999 und 2005 Studienleiter für die MAZ-Lehrgänge «Pressefotografie» und «Bildredaktion». Seit 2014 ist er als Bildchef mitverantwortlich für den visuellen Auftritt des Tages-Anzeigers.
Die multimediale Biografie -> HIER
4 Kommentare zu «Bewaffnet mit der Kamera»
ja herr ehrenseberger. man (n) kann selbstverständlich jahrzehntelang der armee huldigen, noch an das reduit glauben, dass die schweiz im ww2 wegen ihrer stärke nicht überfallen wurde. tatsache ist dass die schweizer armee enorm mühe hat anschluss an die morderne zeit zu finden. in der obersten armeeführung bräcuhte es einen radikalen generationenwechsel und keine betongeneräle mehr welche gedanklich noch in den 60 er jahren führen. solche armee haben im ww2 massiv verloten, siehe frankreich, die niederlande, polen, belgien
Koni Nordmanns RS-Fotoreportage von 1984 und Max Frischs „Dienstbüchlein“ von 1974 können, zusammengenommen und einander perfekt ergänzend, als Zeitdokumente von hohem Rang bezeichnet werden. Selten wurde der Stumpfsinn des militärischen Alltags in Bild und Wort so anschaulich dargestellt. Wie Koni Nordmann hatte zufälligerweise auch ich das Vergnügen, unmittelbar nach meiner Rückkehr aus New York, in die RS einrücken zu dürfen. Der Kulturschock von 1966, nach drei Monaten „criss-cross“ durch die USA bleibt unvergessen: Zurück aus der „Grossen Weiten Welt“ direkt in den Mief der Gotthardfestungen, zurück vom Times Square in Manhattan direkt in die Kaserne Altkirch in Andermatt. – 17 Wochen sinnlos vertane Zeit. 17 Wochen Leerlauf. Was bleibt ist Lebenserfahrung.
Eine schöne und tolle Geschichte, dass Koni Nordmann sein fotografisches Talent bereits in seiner eigenen RS austoben durfte. Die zuweilen unfreiwillig komisch-ironischen Momente, die sich in einem –so ernsthaften– Betrieb, wie die Schweizer Armee ihn auch 1984 noch sein wollte, nur so häufen, sind natürlich ein riesiges Biotop für einen jungen, engagierten Fotografen. Und weil der Fotograf selber mitten drin im Geschehen ist, ist er immer integraler –und zugleich dokumentierender– Teil davon. Ich selber hatte mir solche fotografischen Freiräume im WK herausgenommen, als ich genügend guttuenden Abstand zur RS und darum mehr Übersicht über das Phänomen Schweizer Milizarmee hatte. Nordmanns Bilder spornen mich an, mein Archiv wieder mal vom Staub zu befreien. Immer Gut Licht an Koni!
Lieber Herr Nordmann, was soll an diesen Bildern provokativ sein? Das sind Bilder wie sie zu Tausenden in Alben von Schweizer Soldaten eingeklebt sind. Wenn man auf diesen Bildern die Gesichter der Soldaten sieht, kann man gar nicht gegen die Armee sein, die machen nämlich alle einen sehr zufriedenen Eindruck. Leider kenne ich das RS-Tagebuch von Nordmann nicht, das hätte mich sehr interessiert. Das wird gleich getönt haben, wie die heutigen Leserbrief zum gleichen Thema und bestätigt nur meinen Eindruck von der heutigen Jugend: Alles Weicheier!