Rettungsengel auf dem Mittelmeer

Der Fotograf Marco Panzetti begleitete das Rettungsschiff Aquarius – seine Bilder zeigen Flüchtlinge zwischen Leben und Tod.

Das Aquarius-SAR-Team hilft am 22. Februar 2017 Flüchtlingen von einem Schlauchboot, nur einige Kilometer entfernt von der libyschen Küste.

Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer dauert an – und mittendrin ist die Aquarius, das Rettungsschiff der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Médecins sans Frontières. Allein zwischen Februar 2016 und März 2017 hat die Aquarius-Crew bei 90 Einsätzen über 9000 Flüchtlinge gerettet. An Bord der Aquarius war auch der Fotograf Marco Panzetti.

 

September 2016: Der Kapitän der Aquarius erfasst den Kurs des Schiffes auf einer Karte.

Nach ihrer Rettung aus dem in Notlage geratenen Boot beobachten die geretteten Männer das Meer von der Aquarius aus.

Die Fotos des 27-jährigen Italieners dokumentieren die dramatische Realität auf dem Meeresgebiet zwischen der libyschen Küste und Sizilien. Die eindrücklichen Bilder zeigen erschöpfte Flüchtlinge – Menschen, die unvorstellbares Leid erlebt haben und in eine ungewisse Zukunft gehen. Die Fotos sind auch eine Hommage an die Rettungsengel der Aquarius.

 

März 2017: Junge Männer auf dem Weg zur Aquarius.

Flüchtlinge auf dem Deck der Aquarius, kurz nach dem Rettungseinsatz im September 2016.

Um 2 Uhr morgens erwischt der Lichtstrahl der Aquarius-Crew endlich das in Notlage geratene Holzboot. Wegen schlechter Sichtverhältnisse hatte die Crew Probleme, das Boot zu finden.

Eng aneinandergedrängt und in Notfallschlafsäcken eingepackt, verbringen die Flüchtlinge die Nacht auf der Aquarius. Mit den Schlafsäcken sind sie wenigstens etwas von der winterlichen Kälte und dem Wind geschützt.

Februar 2017: Bei Sonnenaufgang sucht ein Mitglied der SOS Méditerranée den Horizont nach Booten ab.

Nach langer Suche hat das Team das sich in Not befindende Boot gefunden. Drei der Flüchtlinge befanden sich in einem fortgeschrittenen Stadion der Unterkühlung.

«Meine Eltern wurden von Ghadhafi-Anhängern ermordet, und ich wurde anschliessend von den Milizen verfolgt. Also flüchtete ich. Für mich spielt es keine Rolle, wo ich hingehe, ich will nur am Leben bleiben», sagt der 17-jährige Libanese an Bord der Aquarius.

Totale Erschöpfung: Die Flüchtlinge kurz nach ihrer Rettung. Seit dem Start der Rettungsaktion im Februar 2016 bis zum Ende des Jahres hat die Aquarius mehr als 8000 Menschen gerettet.

Ein Mann wird am 23. Februar 2017 von einem Mitglied der Ärzte ohne Grenzen in der Aquarius-Klinik untersucht.

Ein verrosteter Kompass als Überbleibsel nach der Rettung. Anders als noch vor einigen Monaten werden die Boote von den Schmugglern nicht einmal mehr mit irgendwelchen Navigationssystemen oder Satellitentelefonen ausgestattet. Ausgesetzt und auf sich selber gestellt, bleibt den Flüchtlingen als einzige Hoffnung die Rettung in internationalen Gewässern.

Blick in eine unsichere Zukunft: Vieler der Flüchtlinge tragen ein Kanji-Symbol auf ihrer Mütze. Es steht wörtlich für «Glück, Gesundheit, Segen und Schicksal».

Die bereits mit Preisen ausgezeichnete Dokumentation «In Between» ist Teil eines Langzeitprojekts, das Marco Panzetti vor zwei Jahren begonnen hat. Das Fotoprojekt trägt den Titel «The Idea of Europe» und thematisiert verschiedene Aspekte der Flüchtlingskrise, die Europa verändert. Der Weltflüchtlingstag am 20. Juni ruft in Erinnerung, dass bis zu eine Million Migranten sich laut UNO derzeit in Libyen aufhalten. Hunderttausende Flüchtlinge dürften dieses Jahr versuchen, nach Europa zu gelangen.

 

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Der 1981 in Norditalien geborene Marco Panzetti, zog es 2006 nach Barcelona. Dort hatte er ab 2014 das Glück gehabt, Lehrling und Assistent des Dokumentarfilmers Michel Huneault zu sein. Ab 2016 konnte er als Mitarbeiter der Fotoagentur Noor in Amsterdam arbeiten. Seine fotografische Arbeit konzentriert sich auf zeitgenössische Fragen der Identität, Migration, sozialer Ungerechtigkeit und Entwicklung. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen und dramatischen Ereignisse, die unsere Gesellschaften prägen, zielt seine Arbeit darauf ab, einen Einblick in unterrepräsentierte Gemeinschaften, Geschichten und Ereignisse zu ermöglichen.

9 Kommentare zu «Rettungsengel auf dem Mittelmeer»

  • chris sagt:

    Sieht man die Bilder der Geretteten und hört von ihrem Schicksal in Libyen, versteht man das Bedürfnis der Retter, die Menschen vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ehrlich: bewundernswert, wie die Retter alles daran setzen, den Tod im Mittelmeer zu bekämpfen. Aber leider lösen diese Aktionen, so gut gemeint und mutig sie sind, das Problem überhaupt nicht. Höchstwahrscheinlich verstärken sie es noch. Es muss doch andere Lösungen geben. Und völlig unerklärlich, dass immer noch und immer mehr Menschen durch die Hölle Libyens gehen. Es dürfte kein Ertrinken geben, es dürfte die libysche Hölle und die Schlepper nicht geben, die Leute brauchen eine Perspektive für ihre Zukunft. Nur: wie soll man das bewerkstelligen? Europa kann Flüchtlinge aufnehmen, klar. Aber doch nicht halb Afrika.

  • Felix Kurt sagt:

    Die Frage ist, ob es sich heute und in diesem Umfang wirklich um humanitäre Hilfe handelt. Die Grafiken in der New York Times zeigen eindeutig, dass die „Rettungsorte“ sich im Laufe der Zeit von Italien zu den libyschen Territorialgewässern verschoben haben. Das wird von den Schleppern weidlich ausgenützt. Der Aufwand für die Immigration nach Europa wird immer geringer. Überspitzt gesagt dauert es nicht mehr lange, bis die Migranten am Strand abgeholt werden. Das einzige Mittel ist, mit den so genannten Rettungen sofort aufzuhören und/oder die Boote an den Ursprungsort zurück zu geleiten, dann löst sich das Problem innerhalb weniger Tage von selbst. Hingegen müssen wir uns fragen, wie man den Wohlstand in den Entwicklungsländern verbessern und die Effektivität der Hilfe verbessern kann.

  • Tobias Meier sagt:

    Letzte Woche erst veröffentlichte die New York Times eine Grafik, die eindrücklich illustriert, wie sich die sogenannten „Seenotrettungen“ der NGO-Schiffe in den Jahren 2014 – 2016 immer mehr der Küste Lybiens annäherten. Bisweilen werden sogar Schiffe aus dem Hoheitsgebiet Lybiens unmittelbar vor der Küste „gerettet“, um deren Insassen – völkerrechtsvertragswidrig – mehrere Hundert Kilometer zu sizilianischen Häfen (statt zum nächstgelegenen) zu fahren. Was einer gewissen Ironie bzw. Bigotterie nicht entbehrt, berufen sich doch für gewöhnlich gerade die Unterstützer genannter Verhaltensweisen auf die Sakrosanz solcher Verträge.

  • Martin Fuhrer sagt:

    Leben retten ist ein humanitärer Imperativ – Punkt. Die Médecins-sans-Frontières-Leute folgen diesem menschlichen Grundsatz, ich gratuliere ihnen. Europa nimmt ja nur einen ganz minimen Prozentsatz der weltweiten Flüchtlinge auf, dies ist verkraftbar. Eine Fotoreihe wie diese zeigt uns die Verzweiflung des einzelnen. Eine weitere Fotoreihe könnte uns die gefährliche Ueberquerung der Sahara nach Nordafrika zeigen. Wer solche Gefahren und Mühsale auf sich nimmt, hat entweder Schlimmes, Lebensbedrohendes erlebt oder keinerlei Lebensperspektiven.

  • Sandro Studer sagt:

    Sie können noch so viele Bilder veröffentlichen, das auffischen in Küstennähe spielt den Schleppern in die Hände und hat einen unglaublichen pull Effekt. Die Helfer machen sich zu direkten Gehilfen der Schlepper und heizen die Migrationsstöme dadurch erheblich. Es wurde ein eigentlicher Fährbetrieb eingerichtet und die Kosten werden uns angelastet. Die Gutmenschen übernehmen keinerlei Verantwortung nach dem abladen in Europa.

  • Reto Gabathuler sagt:

    Die Leser sind hin und her gerissen zwischen Mitleid und der Einsicht, dass die Migration ein Ausmaß annimmt welches Europa nicht mehr bewältigen will. Prognose: in zehn Jahren ist entweder die Mittelmeer Route geschlossen, oder Europa hat dreimal mehr Einwohner.

  • Hans Wuersch sagt:

    Die Bilder sind eindrücklich.
    Jeder muss selber entscheiden, welche Geschichte sie erzählen.
    Ich sehe junge Migranten, die von Schleppern aufs Meer spediert wurden.
    Wie man liest, koordinieren sich die Schlepper mit den Helferschiffen. Da die Schiffe nur Leute aufnehmen sollen, die in Seenot geraten sind, entfernen die Schlepper die Motoren von den Schlauchbooten, nachdem sie die Boote aufs offene Meer in die Nähe der Helferschiffe begleitet haben.
    Das ist natürlich auch kommerziell interessant. Die billigen Schlauchboote werden in China bestellt, der Motor kann wieder verwendet werden.
    Das ganze ist an Absurdität kaum zu überbieten – es ist erschreckend, wie die Europäischen Regierungen versagen und diese Migration zulassen, ja fördern.

  • Peter sagt:

    Diese NGOs sorgen einzig dafür dass noch mehr ihr Leben riskieren. Der verlängerte Arm der Schlepper, somit illegal! Ich unterstütze diesen Wahnsinn sicher nicht und Achtung vor solchen „Helfern“ resp. Verbrechern habe ich schon gar keine. Die Mitleidsföteli kann sich der Herr gleich sparen!

    • Alexander Wetter sagt:

      so ist es : die NGO’s sind nun mal nicht die Lösung, sondern Teil des Problems und Verbrechen

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