Aus den schönsten Bildern spricht die Wahrheit am besten

Danny Lyon? Er schuf ikonische Bilder, die den Nerv ihrer Zeit trafen. Aber in der Alten Welt kennt man ihn kaum. Das Foto­museum Winterthur stellt ihn jetzt vor.

Crossing the Ohio River, Louisville, 1966

The March on Washington, August 28, 1963

Der Mann ist Amerikaner, und schon darum klingt es pathetisch. Wahr ist es trotzdem: Was ihn antreibt, ist das Verlangen nach Freiheit. Freiheit ist das grosse Thema, um das sich seine Bilder drehen. Und sie ist auch das, was ihn selber ausmacht.

1962 also – Danny Lyon ist zwanzig, Sohn jüdischer Einwanderer aus New York, ein Student, ein Idealist, der sich für Geschichte und Literatur interessiert, aber nicht für ein akademisches Dasein gemacht ist: An der Universität von Chicago schliesst er sich der Bürgerrechtsbewegung an und beginnt im selben Moment mit dem Fotografieren – seine Bilder vom Kampf gegen die Diskriminierung der Schwarzen sind Teil dieses Kampfs.

Weight lifters, Ramsey Unit, Texas, 1968

Tesca, Cartagena (Colombia), 1966

Arrest of Taylor Washington, Atlanta, 1963

Racer, Schererville, Indiana, 1965

Leslie, Downtown Knoxville, 1967

Clifford Vaughs, SNCC photographer, arrested by the National Guard, Cambridge, Maryland, 1964

Woman at a Race in Prairieville, Louisiana, 1964

Occupy Oakland, City Hall, Oakland, 2011

Maricopa County, Arizona, 1977

Lyon reist für die Bewegung durchs Land und ist bei den Konfrontationen mit der Staatsgewalt in der ersten Reihe dabei; so wie 1963 bei einer Demonstration in Atlanta. 2011 wird er dann die Occupy-Proteste fotografieren, aus derselben Nähe, mit demselben Engagement, und dazwischen liegt ein ganzes halbes Jahrhundert, in dem Lyon zur Stelle war, wo sich in seinem Land gesellschaftliche Bruchlinien auf­taten und sich Konflikte an der Frage nach einem selbstbestimmten Leben entfachten.

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Dar­­um interessierte sich Lyon für neue Subkulturen wie die der Biker und der Rennfahrer (oben und unten Mitte, 1966), aber auch für das Schicksal der Entrechteten in den Gefängnissen und in den Elendsquartieren der Städte. Und stets ging er so nahe her­an, wie er konnte, als Fotograf, aber auch als Dokumentarfilmer und Autor: Lyon wurde selber ein Biker, er ging in den Anstalten ein und aus – weil er in den Kämpfen der anderen seine eigenen sah, in ihrem Willen zur Freiheit seinen eigenen Weg.

Die Identifikation mit seinem Thema entsprach dem Programm des «New Journalism», der damals en vogue war. Zugleich gibt sie Lyons Bildern eine Kraft, die weit über die Zeitzeugenschaft hinausgeht. «Ich versuche, eine Aufzeichnung zu machen», schrieb er 1964 seinen Eltern, «aber die Fakten dafür finde ich in Formen und Schönheit. Aus den schönsten Bildern spricht die Wahrheit am besten.»

Im Fall von Lyon lässt sich das ohne Weiteres umkehren: Seine Bilder sind so schön, weil sie so wahr sind.

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«Message to the Future», bis 27. August im Fotomuseum Winterthur. Gleichnamiger Katalog (Fine Arts Museum of San Francisco, 2016) mit deutschsprachigem Beiheft.

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