Moment, verweile doch

Der Zürcher Fotograf Lukas Mäder hat die Indie-Band Mighty Oaks auf ihrer ersten Europatour begleitet. Entstanden ist ein Fotoband, der wehmütig von dieser Zeit erzählt.

So jung werden wir nie wieder sein: So jung wie damals, als wir noch Geheimnisse vor den Eltern hatten. Wie damals, als es etwas vom Schönsten war, mit Freunden unterwegs zu sein, tage-, nächtelang, ganz ohne Zeitempfinden. Wie damals, als das Ende der eigenen Jugend nicht vorstellbar war, oder wenn, dann nur als Katastrophe.

Ähnlich muss Lukas Mäder empfunden haben, als er an «We’ll never be this young again» arbeitete: So heisst sein Fotoband, der soeben erschienen ist. Der Fotograf aus Meilen, mit 29 Jahren zwar nicht mehr jugendlich, aber immer noch jung, hat die Indie-Band Mighty Oaks auf ihrer ersten Europatournee begleitet.

Die Bandmitglieder stammen aus den USA, Italien und England, leben aber alle in Berlin. Ihre Musik wird allmählich einem grösseren Publikum bekannt, bislang war sie eher ein Geheimtipp an Open Airs. Mäder war dabei, wie die Band erwachsen wurde – so drückt er es aus. Wie sie sich von den No Names, die zum ersten Mal in verschiedenen europäischen Städten auftraten, zu den Mighty Oaks entwickelten, die während dieser Tournee ihr zweites Album in Seattle (USA) aufnahmen. Und Mäder war es, der das Erscheinungsbild der Band prägen konnte: Seine Fotos sind praktisch die einzigen, die von Mighty Oaks existieren.

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Eigentlich ein Roadtrip

In seinem Fotostudio sitzt Mäder am Tisch, schaufelt an diesem späten Nachmittag die restliche Rösti auf die Gabel. Wegen eines Shootings, das gerade zu Ende ging, fiel die Mittagspause aus. Das Studio befindet sich in einem Industriegebäude, das einst Produktionsstätte für Stahlbau war. Man wähnt sich hier auch in Berlin: die hohen Räume, der Industriechic, das kreative Durcheinander, die bewusste Nachlässigkeit bei der Einrichtung. Aber der Blick durch die Fenster zeigt: Es ist doch nur Seebach. Kleine Häuser wie auf dem Land, Grasbüschel am Strassenrand, der Bahnübergang, ein Güterzug, der langsam vorbeifährt.

«Der Buchtitel ist der schönste und traurigste zugleich», sagt Mäder. Die Zeile stammt aus dem Song «Raise a Glass», in dem die Mighty Oaks auf die Vergänglichkeit anstossen, weil sich daran sowieso nichts ändern lasse. Melancholisch sind auch Mäders Aufnahmen der Band, ganz in körnigem Schwarzweiss gehalten. Es ist die Bildsprache, die man von seinen Porträts internationaler Musiker und Sportler kennt. Dieses Mal wollte er etwas Neues versuchen und erstellte eine Fotoserie. Weil er dafür ausreichend Material beisammenhatte und weil er Lust verspürte, seinen Stil zu brechen. Nicht nur auf das Wesentliche reduzierte Porträtbilder zu machen, sondern Reportagefotos mit einem roten Faden und einer Geschichte. «Das habe ich dann einfach gemacht», sagt Mäder. Er sei ein Macher-Typ, einer, der nicht lange zögere.

Erzählt wird im Buch eigentlich die Geschichte eines Roadtrips, und wenn man sich ein jugendliches Abenteuer vorstellt, dann wohl so: Abseits der Heimat und des Alltäglichen, immer unterwegs, mit vielen Menschen und mit Musik, die den Soundtrack dazu bildet. Mäders Aufnahmen zeigen Open-Air-Gelände, die noch verlassen sind, und volle Konzerthallen. Einen spontanen Zwischenstopp mit zerstreuten Pizzaschachteln auf der Strasse, erhobene Gläser an einer langen Tafel im Restaurant. Die Fotos lassen erahnen, was es heisst, in einer Band zu sein – aber nach Arbeit sieht es nie aus, weil immer dieser nostalgische Filter darüberliegt. Wie kann es Arbeit sein, wenn die Protagonisten darauf so selbstvergessen scheinen? Die Bilder sind auch Projektionsfläche für die eigene Sehnsucht.

Fliege an der Wand

Entdeckt hatte Mäder die Mighty Oaks vor Jahren in Zürich. Er mochte ihre Musik und wollte sie unbedingt fotografieren. Nach dem Konzert begegnete er zufällig einem Bekannten, der ihm den Kontakt vermittelte. Bereits wenige Wochen später traf Mäder die Band an einem Konzert in München. Und danach immer wieder, über knapp drei Jahre hinweg: Er folgte den Mighty Oaks an Festivals und ins Studio, übernachtete mit ihnen im Tourbus, lernte ihre Familien kennen, wich ihnen kaum von der Seite. «Wir wurden Freunde», sagt Mäder. Er war wie eine Fliege an der Wand – ein ständiger Beobachter mit Kamera, der merkte, wenn sich einzelne Bandmitglieder leicht anders bewegten, sobald sie dachten, fotografiert zu werden. Mäder wartete dann und drückte erst ab, wenn sie die Kamera wieder vergessen hatten.

«Es war eine verrückte, intensive Zeit», sagt Mäder. Und kann dann gar nicht so genau beschreiben, warum. Viele «huere geili» Momente, die sich zu einem Empfinden verdichteten: Diese gemeinsame Zeit war kostbar und lässt sich nicht verlängern. Ein Kapitel, das sich geschlossen hat. «Als ich die Band verliess, war es schon etwas schwierig, zu gehen», sagt Mäder. Weg von dieser eingespielten Gemeinschaft, weg von den grossen Städten Europas, wieder zurück nach Seebach. Jetzt, mit ihrem neuen Album «Dreamers», gehen Mighty Oaks erneut auf Tournee. Sie haben Mäder eingeladen, sie zu begleiten. Er fühlt sich geschmeichelt, hat aber trotzdem abgesagt: «Was würde das bringen, ausser dass ich mich wiederhole?» Die Furcht vor Langeweile ist grösser als die Wehmut.
Geblieben aus dieser Zeit sind die Fotos. Und aus dem Kapitel mit den Mighty Oaks ist nun ein Buch über sie entstanden.

 

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Lukas Mäder: «We’ll never be this young again». 2017, 45 Franken. Erhältlich im Sphères, Doodah, Ars Imago oder auf www.mightyoaksbook.com

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