No Secrets! – Bilder der Überwachung
Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler versuchen die heutigen Praktiken der Überwachung zu torpedieren, zu reflektieren oder zumindest sichtbar zu machen.
Brieftaubenkamera von Julius Neubronner, die im Ersten Weltkrieg zu Luftbildaufnahmen verwendet wurde, um 1910
Der Hauptteil der Ausstellung «No Secrets! – Bilder einer Überwachung» im Münchner Stadtmuseum präsentiert zeitgenössische Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Video, Malerei, Plakat und Installation. Einige dieser Werke verweisen ihrerseits wiederum auf Phänomene historischer Überwachungspraxis wie etwa das Video «Panopticon» von Hyojoo Jang. Ihre Arbeit nimmt Bezug auf Jeremy Benthams aus dem 18. Jahrhundert stammenden Entwurf eines kreisrunden Gefängnisbaus, in dem die Insassen potenziell beständig unter Bewachung standen, ohne zu wissen, ob und wann sie beobachtet wurden. Benthams Idee sollte später zum Synonym für das Arsenal an Überwachungskulturen und -praktiken werden.
Hyojoo Jang, «Panopticon», 2015 (Filmstill)
Viele Arbeiten aus dem Umfeld der sogenannten «counter-surveillance» wollen die Widersprüche und Funktionsmechanismen der Kontrollkultur aufdecken. Max Eicke macht zu diesem Zweck Überwachungsanlagen der US-Amerikaner in Deutschland sichtbar, Jens Klein stellt serielle Bildfolgen zusammen, die er in der Stasi-Unterlagenbehörde gesichtet hat. Entkleidet von ihrem ursprünglichen Kontext offenbaren die Fotos auf den ersten Blick die komisch-triviale Qualität der Überwachung.
Max Eicke, USAG Wiesbaden Military Training Area Mainz, 2015
Sebastian Arlt, Porträt der Schauspielerin Sibylle Canonica, 2015
Geheimkamera in Form einer Taschenuhr um 1910, Münchner Stadtmuseum
Jens Klein, Aus der Serie: Briefkasten (Fotos aus Personenakten der Stasi-Unterlagenbehörde), 2012
Erkennungsdienstliches Porträt der US-amerikanischen Polizei, 1948
In einem historischen Rückblick thematisiert die Ausstellung im Münchner Stadtmuseum zunächst verwandte Phänomene staatlicher wie privater Raumerfassung und Personenkontrolle. So bedeutete die Einführung der öffentlichen Strassenbeleuchtung zwar einen Gewinn an Sicherheit, war zugleich aber auch ein Instrument der Macht. Die Standardisierung der Verbrecherfotografie durch Alphonse Bertillon in den 1880er-Jahren und die Erfassung von Fingerabdrücken ab 1900 erleichterten den Polizeibehörden die Identitätsfeststellung. Diese Verfahren finden gegenwärtig in der Videoüberwachung ihre Aktualisierung.
Florian Freier, Cached Landscapes II Egelsbach Transmitter Facility, 2015
Ausstellung im Münchner Stadtmuseum bis 16. Juli 2017
Ergänzend zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum widmet sich die Eres-Stiftung unter dem Titel «No secrets! – Reiz und Gefahr der digitalen Selbstüberwachung» dem mittlerweile weit verbreiteten Phänomen, dass sich die meisten Menschen heute durch die Benutzung von Internet, Smartphones und Social Media quasi freiwillig überwachen lassen.
Teilnehmende Künstler/innen und Fotograf/innen: Sebastian Arlt, Paolo Cirio, Max Eicke, Florian Freier, Michael Grudziecki, Hyojoo Jang, Gretta Louw, Jens Masmann, Philipp Messner, Thomas Meyer, Jenny Rova, Alexander Steig, Timm Ulrichs, Franz Wanner und andere.
Begleitend zu den beiden Ausstellungen zeigt das Filmmuseum München vom 24. März bis 12. April 2017 eine Filmreihe mit Spiel- und Dokumentarfilmen.
Zur Ausstellung erscheint ein gemeinsamer Katalog, ca. 160 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen und Texten von Dietmar Kammerer, Klaus Mainzer, Frank Pasquale, Daniela Stöppel, Diana Tamir und anderen.
Kurator der Ausstellung: Rudolf Scheutle, Sammlung Fotografie
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