Obdachlose Beautyqueen
Traum und Realität klaffen bei diesen Porträtierten auseinander.
Der Paläontologe: «Mike kommt aus Ohio. Nachdem er wegen Haschisch-Besitz verhaftet wurde, flüchtete er nach Kalifornien. Dank einer Obdachlosenorganisation hat er wieder Arbeit gefunden.»
Knapp 8000 Obdachlose leben auf den Strassen von San Francisco, Tendenz steigend. Der Fotograf Manaloche, der an der Academy of Art studiert, wollte mehr über diese Menschen und ihre Geschichten erfahren und begann mit ihnen zu reden. Besonders beschäftigte ihn die Frage, was wohl aus ihnen geworden wäre, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Träume zu leben?
Und so entstand sein Projekt «The Prince and the Pauper» (Der Prinz und der Arme), eine wachsende Fotoserie, die mittlerweile im Eigenverlag auch als Buch erschienen ist.
In Doppelporträts zeigt Manaloche obdachlose Männer und Frauen einerseits so, wie sie heute leben, und andererseits so, wie sie gerne leben oder von der Umwelt wahrgenommen würden – als Beautyqueen, Archäologe, Kriegsheld oder Clown.
Miss America: «Tammy ist ein Star auf der Hight Street in San Francisco und zaubert allen ein Lächeln ins Gesicht. Es schmerzt sie bis heute, dass ihr erster Ehemann ihr die Kinder weggenommen hat.»
Der Offizier: Frank wuchs in einer wohlhabenden Familie auf und landete aufgrund seiner Drogensucht auf der Strasse. Momentan arbeitet er als Bauarbeiter. Seine Freundin wäre gerne Ballerina, wollte sich aber wegen ihres Übergewichts nicht fotografieren lassen.
Der Kohlenarbeiter: «Max ist ein Vietnam-Veteran, 43 Jahre diente er in der Army. Als er entlassen wurde, gab er alles auf, landete auf der Strasse und wurde zum Alkoholiker. Aufgrund seiner Gesundheitsprobleme bewegt er sich kaum noch. Es schmerzt ihn, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter hat.»
Der Polizei-Offizier: «Seine Freundin stahl ihm ID und Kreditkarten. Er sagt, er habe keine Identität mehr, und ist mit seinem Leben komplett überfordert.»
Der Seemann: «Michael zeigte mir sein Tattoo – der Name seines Sohnes, den er sehr vermisst. Michael verlor seine Mutter, seinen Job und sein Haus innerhalb von zwei Tagen.»
Die Polizistin: «Jennifer kam mit ihrem Mann aus Irland nach Amerika. Irgendwann liessen sie sich scheiden. Sie ist sehr schüchtern, wenn sie nüchtern ist.»
Der Clown: «McKayas wuchs als Kind in der Nähe der Haight Street auf. Er ist stolz, dass seine Eltern echte Hippies waren. Er lebte in Mexiko, Hawaii, Indonesien, Panama, Bolivien, Costa Rica, Peru und hat vor, alle Länder der Welt zu besuchen.»
Der Wissenschaftler: «Simler kommt aus Oregon, hat indianische Vorfahren und glaubt, dass es in jeder Bibliothek einen Raum gibt, in dem man misshandelt wird. Seinen Vater hat er nie getroffen, er nennt ihn bloss Samenspender.»
Der Philosophe: «Bill musste seinen Heimatstaat verlassen, weil ihm aufgrund kleiner Vergehen eine Haftstrafe drohte. Er möchte das Bild seiner an Alzheimer erkrankten Mutter schicken, damit sie sich an ihn erinnert, wenn er wieder zurück ist.»
Der Koch: «Pops ist ebenfalls ein Vietnam-Veteran. Nach dem Krieg wurde er drogensüchtig. Nach 12 Jahren machte er einen Entzug, heute ist er Alkoholiker.»
Die Meeresbiologin: «Honey flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Eine Weile lebte sie in ihrem Auto, doch als dieses den Geist aufgab, beschlagnahmte es die Polizei, seither schläft sie im Park. Das Ukulelespielen hat sie sich selber beigebracht.»
Der Matrose: «Henry war drogensüchtig und Alkoholiker. Heute arbeitet er als Verkäufer einer Obdachlosen-Zeitung. Ursprünglich kommt er aus Mississippi. Als Kind musste er sich zwischen seiner Mutter und dem Vater entscheiden – das hat ihn geprägt.»
Der Zufriedene: «Dan hatte ein turbulentes Leben und landete erst vor kurzer Zeit auf der Strasse. Er ist ein Schriftsteller und möchte das Bild für sein nächstes Buch verwenden.»
Ein Kommentar zu «Obdachlose Beautyqueen»
Die Bilder sind so wunderschön wie beelendend, machen für einen Augenblick froh und traurig zugleich nachdenklich und dankbar.
Vielen Dank für diese berührenden Bilder.