Die Fotografie wird übersinnlich
Kohlenarbeiter beladen Loren mit Kohle, Zell, 18. April 1918.
Er war Landwirt, und ein Studio hatte er nicht. Von einem Maler in der Gegend liess er sich zwei Leinwände bemalen, die er als Hintergrund für seine Porträts aufstellte. Meistens fotografierte er die Leute aber ohnehin draussen, bei ihm im Freibachmoos, einem Weiler in der Oberaargauer Gemeinde Gondiswil. Oder im nahen Wald, im Schmiedwald, wo er auch als Forstwart amtierte. Und genau das ist ein Glück, von heute aus gesehen: dass also dieser Johann Schär (1855–1938) nicht nur Dorf-, sondern auch Feld-, Wald- und Wiesenfotograf war. Und dass er damit auf seinen Glasnegativplatten viel mehr von seiner Welt einfing als seine professionelleren Kollegen, die ihre Arbeit im Atelier machten.
Käsereigehilfen der Käserei Gondiswil.
Frauen und Mädchen beim Heidelbeerpflücken.
Männerporträt eines Käsers in Turnkleidung.
Markus Schürpf vom Fotobüro Bern hat den Bilderschatz von Gondiswil gehoben, das Kunsthaus Langenthal stellt ihn nun aus, und auch wenn es kaum noch Daten und genaue Informationen zu Schärs Aufnahmen aus der Zeit ab 1900 gibt: Die «Flachsbrächete» (unten) zum Beispiel, der unbekannte Mann mit seinem ebenso unbekannten Kind vor einer der gemalten Kulissen, die fünf Töchter im Wald oder der Turner auf dem Pferd – was einen hier bannt, ist diese enorme Präsenz. So einfach die Leute da sitzen und stehen, so direkt sie in Schärs Apparat blicken, selber magnetisiert vom Moment, so jäh aufersteht eine Realität, die doch unendlich weit weg ist; vergangen, versunken, verloren.
Vielleicht ist es ja Unfug. Aber es könnte schon sein, dass die Fotografie hier wirklich zum Medium wird. Zum Medium mit übersinnlichen Beziehungen.
Kinder auf Jauchewagen.
Flachsbrächete in Gondiswil.
Fünf Töchter einer Familie.
Mann und Frau mit einem prächtigen Mutterschwein.
Männerporträt mit Kleinkind.
Familie mit Eierprodukten und Honig, Madiswil, Mättenbach.
Handstand auf Pferd.
Mädchen mit Kuh.

Der Fotograf Johann Schär («Dängi Hannes», 1855–1938) beim Lesen vor seinem Haus im Freibachmoos in Gondiswil.
«Chäs u Chole», bis 2. April im Kunsthaus Langenthal. Das Begleitbuch erscheint im März im Limmat-Verlag. Im Bild
5 Kommentare zu «Die Fotografie wird übersinnlich»
Der Kohleabbau im Oberaargau ist auch sonst gut dokumentiert und beschrieben, online beispielsweise in zwei geologischen Artikeln hier:
http://biblio.unibe.ch/digibern/jahrbuch_oberaargau/jahrbuch_oberaargau_1985.pdf
http://biblio.unibe.ch/digibern/jahrbuch_oberaargau/jahrbuch_oberaargau_2001.pdf
Oder, falls eine Wanderung geplant ist:
http://www.grenzpfad.ch/download/geotop_nr20_kohleweiher.pdf
Mit besten Grüssen
Raffael Dörig
Leiter Kunsthaus Langenthal
Guten Tag Herr Geiser, ich habe mich beim Kunsthaus Langenthal erkundigt und folgende Antwort erhalten:
Johann Schär hat den Braunkohleabbau in Gondiswil, Ufhusen und Zell umfassend fotografisch dokumentiert. In der Ausstellung ist ein ganzer Raum dem Kohleabbau gewidmet. Dort befinden sich auch Dokumente z.B. die Statuten der Bernischen Braunkohlengesellschaft A.G. mit Sitz in Gondiswil. Das Bild auf dem Fotoblog zeigt Kohlearbeiter in der Kohlengrube Zell am 18. April 1918.
Wie kommen Sie darauf, dass im Oberaargau Kohle abgebaut wurde??
Hier Wird Lehm abgebaut für die Ziegelei Roggwil.
Guten Tag Herr Geiser und Sissi,
Wir haben alle Bildlegenden vom Kunsthaus Langenthal übernommen und sind davon ausgegangen, dass diese so stimmen. Gerne klären wir das nochmal ab.
Freundliche Grüsse
Julian Rüthi
Bild 1 „Kohlenarbeiter beladen Loren mit Kohle“ Das stimmt nicht, die stehen nur einfach da und geniessen die Aussicht, Journi!
Fast alle folgenden Bildunterschtriften sind gleichermassen unzutreffend. Besonders schade ist die schlechte Farbqualität der Aufnahmen, der Modeblogg-
journi hat dann sicher Mühe, etwas Handfestes über die damaligen aktuellen Herbstfarben zu bloggen, der Arme.
F.G. S.