Wenn Blicke töten könnten

Ein französischer Soldat wurde 1960 beauftragt, algerische Frauen zu fotografieren. Das Brisante daran: Die Frauen mussten gegen ihren Willen ihr Kopftuch abnehmen.

Wenn Blicke töten könnten, dann war die Kamera des damals 25-jährigen Franzosen Marc Garanger für diese Frauen eine Foltermaschine. Im Laufe der Krieges in Algerien wurden Tausende von Frauen gegen ihren Willen von der französischen Armee fotografiert.

 

Die Musliminnen oder Berber-Frauen wurden 1960 nach einem Angriff auf ihre Bergdörfer von der Armee umgesiedelt. Damit die Streitkräfte die Kontrolle in den Siedlungen behalten konnten, liessen sie Identifikationskarten inklusive Porträts herstellen. Die Wahl des Fotografen fiel auf Marc Garanger. Dieser konnte den Anweisungen seiner Befehlsgeber nur folgen.

 

Für die meisten dieser Frauen war es das erste Mal, dass sie ihre Kopfbedeckung in Gegenwart von fremden Männer abnahmen. Doch die französische Armee liess ihnen keine Wahl. Protestieren konnten sie allein durch ihre Blicke.

 

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Mehr Aufnahmen sind im Buch «Femmes algeriennes 1960» zu sehen. Daneben gibt es eine weitere Publikation, welche die Rückkehr Garangers nach Algerien und die erneute Begegnung mit den Frauen zeigt.

11 Kommentare zu «Wenn Blicke töten könnten»

  • gabi sagt:

    Also zumindest bei der Hälfte der Bilder braucht es schon ein gerütteltes Mass an Eigensuggestion, um sich einbilden zu können, dass die Frauen voller Hass in die Kamera schauen.
    Beim Rest lässt sich diese Assoziation recht einfach wecken (zu unklaren Gesichtsausdrücken gibt´s übrigens schon seit Jahrzehnten interessante Schnittexperimente in Filmklassen!). Zum Beispiel durch eine reisserische Headline wie

    „Wenn Blicke töten könnten“

  • Augustin Imerzugen sagt:

    Bei den Frauen auf den Bildern, die Sie zeigen, handelt es sich ausschliesslich um Berberinnen. Dies tragen keine Kopftücher, allenfalls eine Kopfbedeckung, wie man sie auch auf einem Foto sieht.
    Im Lead zu schreiben, die Frauen hätten gegen ihren Willen ihr Kopftuch abnehmen müssen, ist also falsch, und hat die Qualität einer «Fake News».
    Trotzdem: Die Franzosen haben den Algeriern- und Algerierinnen – in den Sechzigerjahren unbeschreibliches Leid zugefügt und Hundertausende brutal ermordet.
    Ich selber bin Berber aus der Kabylei und weiss, wovon ich rede.

  • Ulrich B. sagt:

    @ Dominik B.
    Wie soll der Fotograf auch eine Einverständnis von diesen Frauen erhalten – die dürften nach 57 Jahren vermutlich größtenteils verstorben sein.

  • Ronnie König sagt:

    Ich schrieb vor etwa 7 Jahren einmal was in den Bergen dort für ein Problem diesbezüglich ist! Ich schrieb im Zusammenhang mit Kopftüchern, dass es diese Frauen vorziehen, wenn sie unter sich sind und zB Wäsche waschen ohne Kopftuch, dann ziehen sie ihre Röcke hoch um das Gesicht zu bedecken, darunter wären sie nackt. Die Reaktion nicht weniger Kommentatoren war, dass sich zu viel Pornos wohl im Kopf habe. Jetzt kommt hier dieser Bericht und diese ausdrucksstarken Fotos. Tja, da sieht man, wer wo war oder nicht, etwas von fernen Kulturen versteht und was eben im Leben ganz anders gewichtet werden kann, wie unsere Kultur ist. Diese Frauen gaben wohl einiges ihrem Nachwuchs mit, das erklärt, warum die dann uns weniger toll finden, vielleicht zu Extremisten werden. Nicht unbedingt die Religio

  • Rolf Rothacher sagt:

    Die Gesichts-Tattoos zeigen, dass es Berber-Nomadinnen sind. Tätowieren ist im Islam aber ebenso verboten, wie nach der Thora und nach dem Neuen Testament (man staune). Den „fehlenden Islam“ erkennt man auch bei der jungen Frau, die tiefen Einblick auf ihre Brust gewährt. Die Fotos könnten sogar reine Fakes sein (man findet jederzeit Menschen, die für wenig Geld sich entsprechend ablichten lassen). Das Buch ist heute aber „Beitrag“ zur Diskussion über religiöse Symbole und ihre Verbote durch die Staatsgewalt und damit sicher zweckentfremdet, weil die Wut/Trauer nicht auf einem islamistisch-religiösen Empfinden beruhen, sondern verletzten Stammes-Stolz ausdrücken. Dass aber Nomadinnen wenig mit dem Staat und seiner Zivilgesellschaft anfangen können, sollte auch jedem klar sein.

  • Marlisa B. sagt:

    Super Fotos.
    ER geht ja zurück zu diesen Frauen nach Algerien. Ich hoffe sehr, er nimmt nebst den Erinnerungsfotos für die Frauen auch noch den Gewinn des Buchverkaufs mit und überreicht das Geld ihnen direkt.
    Sie werden das Geld nötig haben, da es in Algerien leider keinen Tourismus gibt.

  • Dominik B. sagt:

    Dem Fotografen mag es damals Leid getan haben, aber ihn als wehrlosen Befehlsempfänger zu entschuldigen, verbietet sich spätestens jetzt, da er die Fotos veröffentlicht. Man kann sich der Faszination der Bilder zwar nicht entziehen, macht sich aber als Betrachter mitschuldig, denn eine Demütigung bleibt es auch noch nach 60 Jahren. Ich gehe nicht davon aus, dass ihn die Frauen autorisiert haben.

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