Den Nabel der Welt umrunden

Jedes Jahr pilgern Tausende Tibeter zum heiligen Berg Kailash. Der deutsche Fotograf Samuel Zuder hat sie porträtiert.

54 Kilometer. Ist das viel? Wie mans nimmt. Wer schnell zu Fuss ist, schafft die Strecke an einem einzigen Tag. Wer sie aber auf allen vieren abkriecht, wie das viele Tibeter tun, die sich auf den Pilgerweg einmal rund um den heiligen Berg Kailash herum begeben, der kann gut und gerne drei Wochen unterwegs sein. Geschafft sind am Ende alle, die Sprinter wie die Kriecher. Immerhin befindet man sich auf 5700 Metern über Meer.

Der Mount Kailash – auch «Juwel des Schnees» genannt, weil er weiss und erhaben aus der tibetischen Steinwüste aufragt – ist ein Ort, wo Irdisches und Himmlisches zusammentreffen. An seinem Fuss entspringen vier der wichtigsten Flüsse Asiens; und dort, wo er die Wolken berührt, ist die Heimat der Götter. Das jedenfalls glauben Hindus, Buddhisten, Jainas und Böns gleichermassen – und sehen im Kailash die Wiege des Universums.

Erklommen wurde der heilige Berg noch nie. Reinhold Messner erhielt 1985 zwar die Genehmigung von der chinesischen Regierung, hat aber bewusst verzichtet. Der Kailash ist schliesslich dazu da, umrundet zu werden: Wer das tut, ist von seinen Sünden befreit. (Und, wer es 108-mal schafft, gar erleuchtet.)

Samuel Zuder trat die Reise 2012 an. Natürlich mit Kamera, die er auf Männer, Frauen, Kinder und Greise richtete, denen er unterwegs begegnete. Der so entstandene Bildband ist ein wunderbar stilles Zeugnis: von Begegnungen winziger Farbtupfer im Graubraun des Nabels der Welt.

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Samuel Zuder: «Face to Faith. Mount Kailash – Tibet». Hatje Cantz, Berlin 2016. 192 S., 78 Fr.

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