Ein Mensch wird zur Mumie

In einer abgelegenen Bergregion Papua-Neuguineas hat eine alte Stammestradition überlebt.

Vor 60 Jahren mumifizierte Gemtasu seinen eigenen Vater. Seitdem träumte er davon, nach seinem Tod selbst zur Mumie zu werden. Seine letzte Ruhestätte wünschte er sich über dem Dorf, um so seiner geliebten Familie als Schutzgeist beistehen zu können. Noch zu Lebzeiten brachte er deshalb seinen Kindern mithilfe eines Schweines das Handwerk des Mumifizierens bei. Nach dem Tod seiner Frau im Sommer 2015 fühlte Gemtasu sich sehr einsam und beschloss, dass der Zeitpunkt zu sterben auch für ihn gekommen war. Ende Juli schlief er für immer ein.
Kurz darauf begann der Mumifizierungsvorgang.

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Man setzte Gemtasu auf einen Stuhl, den er noch selbst gebaut hatte und zündete das Feuer an. Nach sechs Tagen rieb man seine erste Hautschicht mit Kukeya, einer stacheligen Pflanze, abgetrocknet wurde er mit Tapa-Stoff. Während der ganzen Prozedur durfte sich das siebenköpfige Mumifizierungsteam, das sich mit Gemtasus austretenden Körperflüssigkeiten benetzte, damit sein Geist in ihnen weiterlebt, nicht waschen. Das Essen musste über Gemtasus Feuer zubereitet werden, auch geschlafen wurde bei ihm.

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Allabendlich versammelten sich die Familienmitglieder in der Hütte und erzählten sich Geschichten. Gemtasu liebte Witze und wenn jemand etwas Lustiges erzählte, dann wurde es manchmal ganz still, weil jemand glaubte, Gemtasu lachen gehört zu haben. Ende Oktober brachte man ihn in einer feierlichen Zeremonie zu seinem Vater auf den Felsvorsprung über dem Dorf.

 

 

 

 

 

 

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Die Fotografin Ulla Lohmann traf Gemtasu zum ersten Mal 2003 und hat seitdem seine Beziehung zum Tod dokumentiert.

8 Kommentare zu «Ein Mensch wird zur Mumie»

  • Erwin Schaerz sagt:

    Interessante Geschichte. Trotzdem – oft, werden solche Praktiken von westlicher Gesellschaft als wertvolle Zeremonien und schüzenswerte Elemente einer Kultur dargestellt. Vergessen gehen jedoch all die Leidensgeschichten, Grausamkeiten und Menschen-entwürdigenden Rituale, die zu Horrorerlebnissen für alle Beteiligten werden. Oder wer von uns würde sich freiwillig zur Verfügung stellen um sich z.B. mit Körperflüssigkeiten eines Toten zu benetzen? Oder wie wäre es, zur Befriedigung der Geister bei Todesfällen in Familie Finger abzuhacken?
    Anmerkung: Animistische Kulturen pflegen äusserst absurde Rituale bis hin zu Selbstverstümmlung, Menschenopfer und Kanibalismus.
    Im tiefsten Innern wünscht sich manch solche Kultur von diesem (leider wiederkehrenden) Horror befreit zu werden.

  • Sylvia Eberhard sagt:

    Ich schliesse mich dem Kommentar von Sascha Weibel an. Ich hätte mir zu jedem Bild eine Bildlegende gewünscht und mehr Hintergrundinformationen. Mich überfordert auch die Grösse der Bilder. Ich weiss nicht ob das an meinem PC liegt, sie erscheinen so plakativ dass ich das erste Bild nicht ganz auf den Bildschirm kriege. Mir sind kleinere Ansichten lieber die ich auf Wunsch vergrössert anschauen kann.

  • André Kaufmann sagt:

    „In einer abgelegenen Bergregion Papa-Neuguineas ist eine alte Stammestradition nicht tot zu kriegen.“ – ja wieso soll sie, die Stammestradition, denn tot gekriegt werden?! Haben Sie (der Übersetzer oder Frau Lohmann) oder weiter gefasst, Wir (damit ist die sogenannte westliche Zivilisation gemeint) etwa die Deutungshoheit über das Sterben resp. über die damit attributierten Traditionen inne? Ich für meinen Teil finde diese Geschichte höchst interessant und hoffe sehr, dass diese Tradition fortbestehen wird resp. ganz allgemein, dass andere Ansichten weiterhin Platz in unserer modernen, zivilisierten Welt haben werden. Das ist es doch, was unsere moderne, zivilisierte Welt ausmacht: Die Koexistenz unterschiedlicher Ansichten/Lebensweisen… nicht wahr?!

    • Markus sagt:

      Danke, war genau auch mein Gedanke! Womöglich wollte jemand sogar noch einen extra guten Witz machen mit dieser Formulierung.

    • Christian Oehrli sagt:

      Besten Dank für Kaufmann für Ihren treffenden Komentar. Vieleicht wollte der Autor irgendwie witzig sein, wenn nicht dann finde ich den Untertitel einfach nur Überheblich.

    • Kurt Hanehmann sagt:

      Es geht doch nichts über etwas elitäres Gemotze, um den eigenen Selbstwert zu steigern. Und wo kann ich ihre Fotoreportage samt korrektem Untertitel bewundern? Ah…
      Sehr interessanter Artikel, tolle Fotos!

    • Ben sagt:

      Na nur schon das Wort gruselig zeigt unsere Sicht der Dinge. Ich bin sicher die Menschn dürt wärend entsetzt wenn die sehen würden wie lieblos wir mit unseren Toten umgehen… das Leben und der Tod gehören aber zusammen so wie die Geburt und das haben Wir verlernt zu verstehen und deshalb auch alle möglichen Zeremonien und Rituale dazu abgeschaft. Nun stehen wir alleine da… schon bei der Geburt unserer Nachfahren überlassen Wir den Vorgang profitablen Partikularinteressen

  • Sascha Weibel sagt:

    Äusserst beeindruckend. So sehr, dass man sich ausnahmsweise deutlich mehr Text wünschen würde, um den ganzen Vorgang und den gesellschaftlichen Rahmen erfassen zu können. So bleiben die Bilder zum Teil etwas verstörend bis gruselig, man weiss nicht immer so recht, was geschieht, ob das nun schon ein Toter ist oder noch ein Lebendiger…

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