Nur zum Fressen gern

Zum World Vegan Day servieren wir berührende Impressionen aus einem Schweizer Mastbetrieb.

 

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Stellen Sie sich das einmal vor: In unserem Land gibt es hundertsechsundsiebzig Tausend Tonnen Schweine. «Nicht ganz.» Sagt der Metzger in meinem Quartier und tippt in seinen Rechner: «Auf unseren Tellern landen, aufgerundet, nur 127 Tausend Tonnen.» Wie das, frage ich? «Sagen wir, es leben 1.6 Millionen Schweine in der Schweiz. Davon gehen neun von zehn in die Mast. Die Schlachtausbeute liegt pro Kilogramm Schwein um die 80%. Macht bei durchschnittlich 110 kg Lebendgewicht pro Tier: 126.720.000 kg Schweizer Schweinefleisch.» Und was ist mit den anderen 20%? «Darüber schreiben Sie lieber nichts.»

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Szenenwechsel: Ich bin in Luzern, in diesem Kanton, wo es mehr Schweine als Einwohner gibt, und spaziere an einer Mast vorbei. Das Wetter ist prächtig, der Bauer ist am Werken. Hallo, wie geht’s? Zehn Minuten später sind wir mitten im Thema: «Wenn ich sie einkaufe, sind sie 90 Tage alt und 30 kg schwer», erklärt Markus, der Schweinemäster in zweiter Generation. Schon extrem, wenn man bedenkt, dass sie bei der Geburt gerade mal anderthalb Kilo wiegen, werfe ich ein. Markus nickt: «Im ersten Monat kommen sie auf sechs bis neun Kilogramm, dann geht es ruckzuck. Bis zu 750 Gramm nehmen die bei mir zu, manche bringen es auf 900.» An einem einzigen Tag?, frage ich nach. «An einem einzigen Tag.»

 

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Markus ist selber ganz beeindruckt. Immer wieder redet er von der «Mastleistung» seiner Tiere und wie gut sie das Futter «verwerten», vom Gewicht, das sie schon an jungen Tagen mit sich herumschleppen: «Respekt! Eigentlich ist das Skelett von Schweinen ja erst mit vier Jahren richtig ausgebildet.» Kommen daher die vielen Leiden, Markus? Ich habe schon Schweine gesehen, die humpeln oder einknicken oder nur noch auf dem Hintern herumrutschen. «Das ist jetzt kompliziert, da müsste man ins Detail. Hängt auch von der Rasse ab und so. Aber um jeden Preis mästen, das bringt sowieso nichts. Sonst werden die Schweine zu fett. Und den Speck will heute keiner mehr.»
Über 1000 Schweine hat der Markus, bloss da, um sich vollzufressen, sonst nichts, 120 Tage lang, dann ab zum Schlachter und Ende aus. Ob ihm das nicht an Herz und Nieren geht? «Wenn der Transporter kommt, dann ist es schon schlimm. Aber es sind ja nie alle aufs Mal weg. Und es kommen immer neue.» Wieder zurück in meinem Quartier, wieder in der Metzgerei. Ich schaue mich um, mache Fotos von der Auslage. «Grüezi, 300 Gramm Schweinsgeschnetzeltes», tönt im Hintergrund eine Stimme. Kein Zweifel, hier ist sie: die allerletzte Station eines Lebens, in dem es einzig und allein ums Gewicht geht.

 

autor

Klaus Petrus war bis 2012 als Philosophieprofessor an der Universität Bern tätig, seither freiberuflich als Fotograf und Publizist. Er interessiert sich in seinen Bildern und Artikeln für Tierschutz, Protestbewegungen und soziale Unruhen. Website: www.klauspetrus.ch

5 Kommentare zu «Nur zum Fressen gern»

  • Bibo sagt:

    Auch wenn es hier weniger blutig und verletzend gezeigt wird – die Stimmung geht and Herz – also bei mir jedenfalls, da ich bereits seit 20 Jahren kein Fleisch esse und mich immer mehr veganer ausrichte. Gleichsam schockierend finde ich die nüchterne, rein wirtschaftliche Betrachtung der Mast – als wären es Maschinen, statt fühlende intelligente Wesen. Ich empfinde dann immer sehr viel Wut über diese Gleichgültigkeit zu den Wesen. Und ich finde, dass kein Mensch das Recht hat, die Tiere so für sich zu missbrauchen. Auch wenn man sagt, dass der Mensch in der Nahrungskette ganz oben steht. Ich finde es grausam, das so auszunutzen. Und es gibt immer mehr Nachweise, dass der Mensch das Fleisch überhaupt nicht zu gesunden Ernährung benötigt. Es bleibt also Gewohnheit, Lust und Gier? Skrupellos

  • SaoiAebi sagt:

    Sehr interessante Bilder. Mal nicht offene Wunden oder ausblutende Kadaver. Einfach schlichte Fotografien, die sowohl Nachdenklichkeit und Mitgefühl des Betrachters evozieren, wie auch andeuten, welch empfindsame Wesen sich vor der Linse des Fotografen bewegten.

  • Martina Albertin sagt:

    Ich liebe Speck aber wir haben ein ganz anderes Speck gehabt. Nur so ein weisser alles nur Fett. Mit Salz und Brot..mmhaah so gut. Aber dass es mit so einem füttern Drill einher geht hätte ich nicht gedacht.

  • Monica Bigler sagt:

    Sehr traurig. Bin überzeugte Veganerin.

  • Gerber André sagt:

    Sehr eindrücklich und auch nachdenklich stimmend angesichts des kurzen Lebens dieser wunderbaren Tiere.

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