Knallige Jungfrauen
Mit Kamera und Computer macht die Zürcher Künstlerin Annelies Štrba aus klassischen Madonnen transzendente Pop-Art.
Blick in die Ausstellung «Heiliger Besuch». Foto: Ivan Ivic © 2016 ProLitteris, Zürich
Darf man das? Die Muttergottes in den Computer einspeisen und so lang bearbeiten, bis man am Ende so etwas wie Heiligenbilder auf Ecstasy hat? Annelies Štrba tut es. Seit Jahrzehnten sammelt die heute 68-Jährige mit ihrer Fotokamera auf der ganzen Welt Bilder von Kirchenmadonnen – und nimmt sie heim in ihr Atelier in Richterswil am Zürichsee, um ihnen dort ein gehöriges digitales Makeover in Sachen Farbe und Bildschärfe zu verpassen. So lang, bis sich optisch die perfekte Balance zwischen Märchen und Alptraum einstellt.
Blasphemie? Sicher nicht. Schliesslich nennt Štrba, wenn man sie nach dem Kern ihrer Kunst fragt, das Zwischenmenschliche. Und wo fände sich eine stärkere zwischenmenschliche Beziehung als jene von Mutter und Kind, seien diese nun irdisch oder himmlisch? Bei ihrer Madonnen-Serie reizte die Foto- und Videokünstlerin, die seit den 1990ern zum fixen Inventar der Schweizer Kulturszene gehört, freilich noch etwas anderes: das Geheimnis, das Übersinnliche solcher Marienbilder. Ihr Ziel: die transzendente Aura der Ikonen sichtbar zu machen.
Madonna mit Traube, Pigmentdruck auf Leinwand © Annelies Štrba, 2016 ProLitteris, Zürich
Madonna 1, 2016, Pigmentdruck auf Leinwand, 125 x 185 cm © Annelies Štrba, 2016 ProLitteris, Zürich
Madonna 2, 2016, Pigmentdruck auf Leinwand, 125 x 185 cm © Annelies Štrba, 2016 ProLitteris, Zürich
Madonna 3, 2016, Pigmentdruck auf Leinwand, 125 x 185 cm © Annelies Štrba, 2016 ProLitteris, Zürich
Madonna 044-2014, Pigmentdruck auf Leinwand, 70 x 100 cm © Annelies Štrba, 2016 ProLitteris, Zürich
Im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen treffen Annelies Štrbas poppige Jungfrauen nun auf mittelalterliche Gegenstücke aus der Sammlung E. G. Bührle (wo sie sonst, angesichts der impressionistischen Übermacht, ein Schattendasein fristen). Eine kuratorisch nicht ganz unriskante Paarung, die allerdings in der Praxis wunderbar funktioniert: als visuell wie spirituell stimulierender Brückenschlag zwischen einem Gestern, als der Glaube das gesamte Leben durchdrang, und einem Heute, dem der (technisch hochgepeitschte) Bilderkonsum zur Religion geworden ist. Klug, wunderschön, himmlisch!
Blick in die Ausstellung «Heiliger Besuch». Foto: Ivan Ivic © 2016 ProLitteris, Zürich
Blick in die Ausstellung «Heiliger Besuch». Foto: Ivan Ivic © 2016 ProLitteris, Zürich

Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen: «Heiliger Besuch: Gotische Skulpturen der Sammlung Bührle und Madonnenbilder von Annelies Štrba», bis 28. August 2016.
Bis 30. April zeigt die Zürcher Galerie am Lindenhof Werke aus anderen Bildserien Annelies Štrbas.
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