Traumbilder eines Trotzkopfs
Vom Skandal zum Klassiker: Zwei Ausstellungen zeigen das Frühwerk von René Groebli.
Zürich, Quaibrücke
Er war unbelehrbar, von Anfang an, und sein Lehrer hätte ihn fast von der Zürcher Kunstgewerbeschule geworfen. Der grosse Hans Finsler predigte dort die kühle, reine, gestochen scharfe Objektivität. Doch sein Schüler Groebli lieferte ihm verschwommene Szenen des Feierabendverkehrs auf der Quaibrücke: vorüberwischende Passantenfetzen, ungreifbare Traumgestalten.
Das war 1946. Drei Jahre später legte René Groebli, erst 22-jährig, eine Arbeit hin, die zum Klassiker werden sollte, damals aber kaum verstanden wurde: «Magie der Schiene» – ein Film aus Fotos, eine assoziative Folge subjektiver Eindrücke vom Geschehen auf und neben den Gleisen, eingefangen in Paris und auf einer Fahrt nach Basel. Keine Technik- oder Reisereportage, sondern ein grosses Sinnbild des Unterwegsseins. Und wieder dieses grobe Korn, das viele Schwarz und die Unschärfe, die das Tempo und den Traum markieren. Damit wurde «Magie der Schiene» zum Meilenstein der Schweizer Fotogeschichte. Und zum Mittelpunkt der laufenden Wiederentdeckung Groeblis – eines Trotzkopfs, der demnächst 89 wird.
«Magie der Schiene», 1949
«Magie der Schiene», 1949
«Beryl Chen», 1953
Robert Frank, 1949
Zirkus Knie, Zürich, 1948
Charles Chaplin, 1952
«Auge der Liebe», 1952
«Auge der Liebe», 1952
«London», 1949
«London», 1949

«Early Work», bis 14. Mai, Bildhalle, Kilchberg.
«Magie der Schiene», bis 17. April, Museum im Bellpark, Kriens.
Bildband: René Groebli: Early Work. Sturm & Drang, Zürich 2015. 153 Seiten, etwa 55 Franken.
4 Kommentare zu «Traumbilder eines Trotzkopfs»
Atemberaubend! Ohne mehr Worte zu verschwenden.
Gut, dass René Groebli seinem Auge treu blieb und dem Erwartungsdruck seines Lehrers Finsler stand hielt, sich also nicht „professionell deformieren“ liess. Groebli verstand es, als Photograph mittendrin im Leben und Erleben den Moment festzuhalten. Gerade die Aufnahme des Buben auf der Quaibrücke beweist wie innig er als Photograph „mit dabei“ war (ja, die Kamera selbstverständlich „mitzog“), das ist weit mehr als nur ein Beobachten und Dokumentieren von Aussen, das ist ein Hineingehen in den Moment, wo das Wunder des Lebens sich vor unseren Augen ausbreitet. Groebli zeigt mit seinen Bildern sein Mitgefühl mit den Menschen und ihrem Geschehen. Er ist mit ihnen mittendrin. Das macht seine Photographie so wertvoll und bleibend.
Fantastisch, sind das wahnsinnig eindrucksvolle Fotos. Selten so was gesehen. Sehr gefuehlvoll, faszinierend.
Da ich im Ausland lebe kann ich leider die Ausstellung nicht besuchen.
Grossartig. Bin aber sicher, ich hätte sein Talent 1949 auch nicht erkannt, geschweige denn „gesehen“!