Fetter Dienstag, falsche Helden

Es ist wieder Fasnacht. Magnum-Fotograf Bruce Gilden hat sie in New Orleans fotografiert.

USA. New Orleans, Louisiana. 1982. Mardi Gras. Coneheads.

USA. New Orleans, Louisiana. 1982. Mardi Gras. Coneheads. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

Von New York nach New Orleans sind es 1200 Meilen, und als Bruce Gilden mit 27 Jahren erstmals dorthin aufbrach, mit seinem Van, da war er zwei Tage unterwegs. «Ich dachte mir, wenn dort diese Art von Dingen passiert, dann würde ich einige gute Fotos machen können.»

Das war 1974, und jene Art von Dingen ist in New Orleans wirklich passiert. Der Beweis ist der neue Bildband, in dem der heutige Magnum-Fotograf Gilden seine betörenden Bilder aus den Jahren bis 1982 zeigt, in denen er immer wieder nach New Orleans zurückgekehrt ist. Er fotografierte die Tage rund um den Mardi Gras, den famosen «fetten Dienstag», mit dem in dieser Stadt die Fasnachtszeit zu Ende geht – in einem flirrenden und lärmenden Tumult.

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras. French Quarter.

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras. French Quarter. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

USA. New Orleans, LA. 1976. Mardi Gras.

USA. New Orleans, LA. 1976. Mardi Gras. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras. Police and masked man in the French Quarter.

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras. Police and masked man in the French Quarter. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

USA. New Orleans, Louisiana. 1975. French Quarter, leather chaps seen from behind.

USA. New Orleans, Louisiana. 1975. French Quarter, leather chaps seen from behind. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

Bekannt geworden mit seinen Bildern vom Alltag auf den Strassen New Yorks, durch den rigo­rosen Einsatz von Blitzlicht und den ebenso rigorosen Verzicht auf jede Distanz, erlebte Gilden hier im Süden, wie er es nennt, «einen heidnischen Traum, in dem jeder sein darf, was er will». Und sich jeder wundert, wer der andere in Wirklichkeit ist.

Daraus hätte Kitsch werden können, weil es ein ewiger, ein abgefingerter Traum ist, und tatsächlich macht er diese Bilder nur zur Hälfte aus. Die andere Hälfte: dass Gilden jene Momente erwischt, in denen das grosse Spiel mit den wunschgemässen Identitäten prekär wird. Weil die Masken durchsichtig werden. Weil die Macht des Alltags die Spieler einholt. Oder weil es halt schon merkwürdig aussieht, wenn sich mehr oder weniger gestandene Männer als Marsmenschen verkleiden und mit Laserpistolen – Paff! Puff! – die Strassen eines kleinbürgerlichen Viertels unsicher machen. So grundiert stets ein leiser Ernst dieses Fest.

Wobei, und das wäre dann die dritte Hälfte von Gildens Kunst und das Paradox des ganzen Spiels: Wer maskiert die Lächerlichkeit wagt, wird als Mensch umso realer.

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras.

USA. New Orleans, Louisiana. 1977. Mardi Gras. © Bruce Gilden/Magnum Photos/Agentur Focus

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Bruce Gilden: Hey Mister, Throw Me Some Beads! Kehrer, Heidelberg 2015. 110 Seiten, 59 Abbildungen, etwa 55 Franken.

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