Alle Bilder: Jakob-Tuggener Stiftung, Uster/Fotostiftung Schweiz

Man muss sich einen Mann vorstellen, der zuerst Maschinenzeichner war (bei der Maag Zahnräder AG in Zürich), danach Auftragsfotograf für die Industrie (bei der Maschinenfabrik Oerlikon), schliesslich aber zum «Bilderdichter» wurde. So nannte Jakob Tuggener, geboren 1904, gestorben 1988, sich selbst: einen Poeten mit der Kamera. Und so einer bildet nichts ab, im eigentlichen Sinn. Vielmehr drückt er seine inneren Wirklichkeiten aus; er «photographiert nur die Lust seines Erlebnisses», «losgebunden von allem Zweck». So hat es Tuggener ebenfalls selber formuliert.

Bekannt machte sich der Zürcher zwar mit seinem Bildband «Fabrik» von 1943, einem visuellen Epos über den arbeitenden Menschen und die Welt der Maschinen. Es wies ihn als Vertreter der damaligen fotografischen Avantgarde in Europa aus. Aber sein «Lebenswerk» (Tuggener), das Thema, das ihn von den Dreissiger- bis in die Fünfzigerjahre fast schon obsessiv beschäftigte – das fand er in einer ganz anderen Welt: an den Ballnächten in Hotels wie im Palace in St. Moritz (so wie hier an Silvester 1950), im Baur au Lac oder im Dolder in Zürich. Tuggener schwärmte vom «Alabasterlicht», von «rieselnden Gefühlen» und vom «Märchen, was man da sah an Frauen und fliessendem Seidenglanz».

Es war die Kamera, die ihm die Türen zum Vergnügen der Privilegierten öffnete; zu einem Universum, das ihm mit seiner kleinbürgerlichen Herkunft verschlossen geblieben wäre. Er blieb hier so gut wie unbemerkt, und was er sah, mit seinem expressionistischen, ebenso flinken wie eigenwilligen Blick auf Schultern, Hände, Gesten, Lichter – das war ihm kein Anlass zur Wohlstandskritik, obwohl man ihn lange partout so verstehen wollte, gerade nach der «Fabrik»: Der Maschinenzeichner suchte in diesen kostbaren Nächten die Schönheit des Lebens. Und ihre Flüchtigkeit.

Jakob Tuggener: Ballnächte/Ball Nights 1934-1950. 144 S., 127 Abb. Scalo, Zürich u.a. 2005. Antiquarisch erhältlich.