Die verlassene Mutter
Katy kümmerte sich 16 Jahre Vollzeit um ihre Kinder. Dann erleidet sie das Schicksal eines Scheidungsvaters: Trotz gemeinsamem Sorgerecht, wirft sie der Ex aus dem Haus und wandert mit den Kindern aus. Ihr bleiben nur Erinnerungen und ein paar Fotos. Lesen Sie die Geschichte auf tagesanzeiger.ch
Talfahrt: Jay ist Katys jüngstes Kind, ihr einziger Sohn. Er war erst ein Jahr alt, als Katy per Gerichtsbeschluss aus dem Haus geworfen wurde. Drei Jahre später erstritt sein Vater vor Gericht die Erlaubnis, mit ihm und seinen zwei Schwestern nach Oman auszuwandern. Die Wochenenden, die Katy seit der Trennung mit den Kindern verbringen durfte, hielt sie fotografisch fest. Sie nennt die die Serie „Weekends with Mom“. Katy ist interessiert daran, andere Mütter zu treffen, die Ähnliches erlebt haben. Kontakt über: Michèle.Binswanger@tagesanzeiger.ch
Seit dem 1. Juli 2014 wird in der Schweiz getrennten oder geschiedenen Eltern das gemeinsame Sorgerecht zugesprochen. Die Eltern sollen in sämtlichen Fragen der elterlichen Sorge gemeinsam entscheiden, auch über deren Wohnort. Im Streitfall muss eine Behörde entscheiden, wobei die Interessen der Kindes den Ausschlag geben sollen. Nach der Scheidung bekam Katy ein Besuchsrecht für die Kinder. Jedes zweite Wochenende durften sie bei ihr in ihrer neuen Wohnung verbringen. Wegen den beengten Verhältnissen organisierte Katy Ausflüge in die Berge.
Jay will nicht weg von seiner Mutter. Wenn er sie verlassen soll, hält ihre Hand ganz fest, will nicht loslassen. Doch im Dezember 2014 entscheidet das Gericht , dass es in seinem besten Interesse liegt, zusammen mit Vater und Schwestern auszuwandern.
Nach der Scheidung im Frühjahr 2014 erstritt sich der Vater vor Gericht die Erlaubnis, mit den Kindern auszuwandern. Weil das Gericht dabei das Kindswohl ins Zentrum stellen muss, wurden die Kinder angehört. Die älteren Mädchen sagten, sie seien schon traurig, die Mutter zurück zu lassen. Aber sie freuen sich auch darauf, nach Oman auszuwandern.
Nur der vierjährige Jay wollte nicht gehen, was das Gericht weniger stark gewichtete. Katy hätte den Entscheid anfechten können, doch sie hatte keine Kraft mehr, weiter zu kämpfen. Und kein Geld mehr, um den Rechtsstreit zu führen.
In schönstem Juristendeutsch hält das Gericht fest: „Durch den Wegzug ins ferne Ausland wird der Kontakt der Gesuchsgegnerin zu ihren Kindern selbstredend deutlich erschwert, wodurch aber keine generelle Kindswohlschädlichkeit des Auslandwegzuges anzunehmen ist.“ Katy bleibt alleine in der Schweiz zurück.
3 Kommentare zu «Die verlassene Mutter»
Sprachlos….
Es wäre interessant, das ganze Urteil des Gerichtes zu lesen, da ein solcher Fall (Zuteilung des alleinigen Sorgerechts an den Ehemann) selten bis gar nie vorkommt. Das Gericht betreibt i.d.R. viel Aufwand, um das Kindeswohl zu eruieren. Erst recht, wenn es im Zusammenhang mit einem Wegzug aus der CH verbunden ist.
Schade, dass die Mutter den Fall nicht weitergezogen hat. Ich verstehe, dass ihr die Kraft gefehlt hat. Am Geld konnte es jedoch nicht liegen: Es gilt die unentgeltliche Prozessführung für Personen mit finanziellem Engpass, so dass eine prekäre Finanzlage kein Argument gegen eine Weiterziehung sein kann.
Wie und warum ist dieser Entscheid im Sinne der Kinder?????
Ich bin entsetzt……
Was wissen wir nach diesem Bericht nicht ?