Abenteuer Billigfernbus

Seit 2013 brandet eine Fernbuswelle über Europa. Was taugen
Meinfernbus und Co.? Ein Billig-Road-Trip von Zürich über
Köln nach Amsterdam. Fotos von Thomas Egli, Text von Andreas Güntert.

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Wer Bus-Road-Trips per Greyhound in den USA kennt und deren herben Abenteuerduft mag, wer je schon in einem Massengefährt der Segunda Clase durch Mexiko geschüttelt wurde, glaubt im Bustransport oft etwas Grösseres als die reine Beförderung zu erkennen. Was für Busfahrten durch Latein- und Nordamerika gelten mag, zeigt sich zwischen Zürich und Amsterdam deutlich weniger ausgeprägt.

Seit 2013 wurde der innerdeutsche Fernbusverkehr in einer Art ÖV-Urknall liberalisiert. Zu Spottpreisen wurden neue Buslinien eröffnet, die bald auch bis in die Schweiz und andere Orte in Europa reichten.

Zwischen 25 und 30 Millionen Passagiere sind dieses Jahr allein in Deutschland per Fernbus unterwegs; um die 40 Firmen mit Linienkonzession tummeln sich im dortigen Markt.

Zu viel «Wild» und zu wenig «West». Die Busstation in Mannheim ist völlig überlastet und auf die Menge an Passagieren nicht ausgelegt. Verpflegung gibt es kaum, uriniert wird zum Teil im Freien, und beheizte Unterstände existieren nicht. Keine Spur von Busfahrromantik.

Fast alle Fernbuslinien bieten WLAN an und erlauben Zugriff auf ein firmeneigenes Entertainmentportal, das Musik, Spiele und Filme auf das vom Passagier mitgebrachte Gerät zaubert. Wenn die Verbindung funktioniert.

Ausgedehnte Stopps gibt es nicht, kaum mal liegt eine Pinkel- oder Rauchpause drin. Die Fahrer müssen ihre Marschtabelle einhalten oder Rückstände einholen.

Zeigt sich etwa der zentrale Busbahnhof in Köln als überlastetes Fünf-Perron-Freiluft-Terminal, hat man in Amsterdam-Duivendrecht ein nettes Häuschen gezimmert, das Reisenden Schutz gegen die Wetterunbilden bietet, mit stabilem WLAN und Check-in-Schalter aufwartet und Steckdosen zur Verfügung stellt.

Dass es per Bus länger dauert als mit der Bahn, ist Dirk, Lars und Uwe wurst, die sich mittags mit Cola und Rum darüber hinwegtrösten, dass sie aktuell zwei ihrer Mitfahrer in Köln vermissen: «Die Busfahrt ist so billig, dass es egal ist, wie lange der Trip dauert. Wenn es länger geht, haben wir mehr Zeit zum Saufen.» Nur der stattlich gebaute Lars sieht ein kleines Problem: «Ich passe nicht auf die Bustoilette. Muss drei Stunden durchhalten.»

Eine 37-köpfige Folkloregruppe aus Indonesien wartet in Amsterdam-Duivendrecht auf den Bus. Nach der langen Flugreise von Indonesien nach Amsterdam sitzen sie nun 24 Stunden im Bus nach Mailand. «Nur 71 Euro pro Kopf», erzählt der Gruppenleiter stolz, «viel billiger als mit dem Flugzeug.»

«In einem Jahr mache ich Abi, und dann studiere ich Internationales Management.» Der Bus als Traumgefährte, der es Ann-Christine erlaubt auszubrechen aus Rhede im Kreis Borken im Regierungsbezirk Münster in Nordrhein-Westfalen, «und das für wenig Geld».

Was die deutsche Mobilitätsberatungsfirma Iges herausgefunden hat – 92 Prozent der Fernbusfahrgäste entscheiden sich gegen die Bahn, weil der Bus günstiger ist, und mehr als die Hälfte der Fernbusreisenden sind zwischen 18 und 29 Jahre jung.

Ein Kommentar zu «Abenteuer Billigfernbus»

  • Christian sagt:

    Die Billigfluglinien fliegen von Amsterdam nach Mailand für 40 Euro pro Nase (+20 Euro für das Gepäck), der Indonesische Reiseleiter sollte also besser nicht so stolz sein :D

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