Grenzen zu, Grenzen auf
Der Fotograf Roger Eberhard zeigt in seinen Bildern historische Grenzverläufe, an die man sich kaum mehr erinnert.
Sông Bến Hải, Vietnam
Den Checkpoint Charlie kennt jeder, selbst wer noch nie in Berlin war. Am Grenzübergang trafen während des Kalten Kriegs Ost und West aufeinander, Kapitalismus und Kommunismus, GIs und Rote Armee. Heute schlachten Strassenhändler die Nostalgiegefühle der Millionen Besucher aus – etwa mit billigen Pelzmützen oder Attrappen von Gasmasken.
Covadonga, Spanien
24th Parallel South, Chile
Weniger Kitsch und Overtourism zeigen die Aufnahmen des Fotografen Roger Eberhard im Fotoband «Human Territoriality». Der Schweizer erforschte mit der Kamera ehemalige Grenzen und Grenzgebiete auf der ganzen Welt. Einige davon sind durch den Klimawandel oder menschliche Eingriffe in die Landschaft entstanden, andere durch politische Machtverschiebungen oder religiöse und kulturelle Veränderungen.
Nobistor, Deutschland
Dahala Khagrabari, Bangladesh
Zum Beispiel der Ben-Hai-Fluss, der während des Vietnamkriegs den Süden und den Norden des Landes trennte (erstes Bild). Oder die Wüste am 24. Breitengrad, um die sich Chile 1879 mit dem benachbarten Bolivien im Salpeterkrieg Gefechte lieferte – und weswegen Augusto Pinochet 100 Jahre später Minen an der Grenze legen liess, die bis heute dort lauern (drittes Bild).
100th Meridian, USA
Furggsattel, Walliser Alpen, Schweiz
Im Schneetreiben wiederum liegt die Grenze zwischen Kanada und Alaska, die einst die Länder USA und Russland trennte. Und wo vor wenigen Jahrzehnten das chinesische Dörflein Shenzhen lag, sehen wir nun eine der grössten Metropolen der Welt.
Magersfontein, Südafrika
Kaifeng Road, Tianjin, China
São Vicente, Brasilien
Den Aufnahmen gemeinsam ist, dass sie unspektakulär sind, die Sujets scheinen wie zufällig ausgewählt. Keine Schlagbäume oder Wachposten, keine Stacheldrahtzäune. Es sind Orte, an denen nichts mehr an die einstigen Grenzen erinnert. Und doch ist da ein beunruhigendes Element, als ob sich etwas versteckte. Was die Bilder deutlich zeigen: dass Grenzen menschengemacht sind, unnatürliche Konstrukte, die früher oder später immer wieder verschwinden.

Fotobuch Roger Eberhard: Human Territoriality. Edition Patrick Frey, Zürich 2020. 116 Seiten, ca. 60 Franken.
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