Gefangen im Puppenhaus
Richard Tuschman inszeniert seine melancholischen, an Gemälde erinnernden Fotos im Stil des Malers Edward Hopper.
Woman at a Window, 2013.
«Hopper Meditations» nennt Richard Tuschman seine Fotografien, die den Gemälden des Malers Edward Hopper (1882–1967) nachempfunden sind. Der in New York lebende Fotograf hat 2011 damit begonnen, dessen Bilder nachzustellen. Grosse Ähnlichkeit mit dem 1926 entstandenen Gemälde «Eleven AM» hat zum Beispiel obige Fotografie «Woman at a Window». Für das nachfolgende Bild stand das Gemälde «Morning in a City» aus dem Jahre 1944 Pate.
Morning in a City, 2012.
Pink Bedroom (Still Life at Night), 2013.
Tuschman erarbeitete sich eine ganze Serie solcher Bilder, in deren Verlauf er sich immer mehr von den Originalen entfernte und frei nach Hopper, nur noch dessen Stil und Atmosphäre imitierend, entrückte Damen in bühnenartigen Interieurs inszenierte. Wie bei Edward Hopper dringt das grelle Sonnenlicht geradezu brutal in die Zimmer und zeichnet scharfe Schatten auf Boden und Wand.
Green Bedroom (Morning), 2013.
Hotel by Railroad, 2012.
Morning Sun, 2012.
Pink Bedroom (Daydream), 2013.
Meist sind Richard Tuschmans Räume aber düsterer als beim Maler. Die nackten und bekleideten Models gewinnen ihre Plastizität durch feine, naturalistische Lichtakzente, die weniger dem Vorbild Hopper als der Beschäftigung mit der Lichtführung bei Rembrandt zu verdanken sind, wie der Fotograf selbst sagt. Und dann wird durch den Rauch einer Zigarette augenscheinlich, dass wir Szenen betrachten, in denen der Lauf der Zeit zum Stillstand gekommen ist.
Pink Bedroom (Family), 2013.
Pink Bedroom (Odalisque), 2013.
Pink Bedroom (Window Seat), 2013.
Woman with Book and Letter, 2013.
Richard Tuschman hat die bühnenhaften Zimmer in verkleinertem Massstab nachgebaut und mit Puppenhausmöbeln ausgestattet. Mithilfe des Bildbearbeitungsprogramms Photoshop hat er dann die melancholisch vor sich hin blickenden oder sehnsuchtsvoll aus dem Fenster schauenden Models in seine Kunstwelt hineinkopiert. Wirken die düsteren Wohnungen nicht wie Gefängnisse für die sexuellen Dramen, die sich hier abgespielt haben dürften? Die hochartifiziellen Milieus jedenfalls machen die Entfremdung und Verlorenheit der Menschen unmittelbar spürbar.
Woman and Man on a Bed, 2012.
Woman Reading, 2013.
Woman in The Sun I, 2012.
Woman in the Sun II, 2013.
Ein Kommentar zu «Gefangen im Puppenhaus»
Augenblicklich überkommt einen eine grosse Ruhe. Alle Hast in löst sich beim Betrachten dieser wunderbaren Bilder auf. Ich stehe kurz davor, in eins zu gehen. Behutsam würde ich Schritt füŕ Schritt setzen, darauf achten, die sakrale Stille nicht zu verletzen. Und wenn ich dann in einem dieser Räume stehe, würde ich den Atem anhalten, die Menschen ganz ruhig betrachten, und hoffen, dass sie mich nicht entdecken, bei meinem Anblick erschrecken. Was für eine wunderbare Excursion wäre dies. Ich werde die Tür finden, die dies möglich macht.
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