Dynamik und Begehren

Die Zürcher Bildhalle würdigt mit einer Ausstellung und einem grossartigen Bildband den Fotografen René Groebli.

Es liegen nicht mehr als vier Jahre zwischen den hier gezeigten Schwarzweiss-Fotografien, mit denen sich der 1927 geborene Zürcher René Groebli schon in jungen Jahren als Fotokünstler empfahl. 1945 trat er in die Fachklasse für Fotografie an der Kunstgewerbeschule in Zürich ein, wo er bei Hans Finsler studierte. Kurz darauf machte er eine Ausbildung zum Dokumentarfilm-Kameramann.

Groebli interessierte sich für die Dynamik des Stadtlebens, die er mit langen Belichtungszeiten auf seinen Schwarzweiss-Fotos zu verewigen wusste. So hielt er etwa auf der Zürcher Quaibrücke einen ballspielenden Jungen fest, das war 1950. Oder im Corso-Theater eine indische Tänzerin von der Tanzgruppe Ram Gopal, das war 1948.

Er arbeitete als Fotoreporter. 1949 schuf er mit dem Bildband «Magie der Schiene» eine Hommage an die Dampfeisenbahn. Und veröffentlichte 1952 die wohl schönste Liebeserklärung in Schwarzweiss, die einer Frau je gemacht wurde. Groebli schrieb über seinen Fotoessay «Das Auge der Liebe»: «Wäre ich Dichter gewesen, hätte ich mich wohl ins nächstgelegene Café gesetzt, um für Rita Liebesgedichte zu schreiben. Aber so verwandelten sich meine emotionalen Eindrücke fast ungewollt zu einem fotografischen Liebesgedicht.»

Mit seiner Kamera liebkost der Fotograf die Haut seiner Geliebten. Mit radikalen Bildschnitten oder minimaler Schärfentiefe hebt er Details hervor. Im Bild «Weisse Bluse» kombiniert er den offenen Kragen des Kleidungsstücks mit Hals und Silhouette des Kinns zu einem fast abstrakten Bild.

Im Nachtstück «Nouvel Hotel» wird das helle Fenster mit der dunklen Frauengestalt zum Sehnsuchtsort des Fotografen. René Groebli ist ein Meister des Weglassens, dessen Formalismen nicht ästhetischer Selbstzweck sind, sondern Chiffren seines Begehrens.

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René Groebli: «The Magic Eye»
Edition Bildhalle 2020
128 Franken

Die Ausstellung in der Bildhalle Zürich ist bis am 21. März 2020 zu besichtigen.

Ein Kommentar zu «Dynamik und Begehren»

  • Theodor Weissenstein sagt:

    Wunderbare Aufnahme. Und einmal mehr. Das Schöne kommt nie von Rechts oder von Geld.

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