Alles eine Frage der Haltung
Wie sehen Fotografen beim Fotografieren aus? Der Grafiker Alberto Vieceli hat weltweit Material aus der Zeit der analogen Fotografie gesammelt.
Die Vorbereitungen dauerten länger, da die Feinjustierungen exakt und die Lichtverhältnisse ideal sein mussten. Bevor man auf den Auslöser drückte, verging beim analogen Fotografieren mehr Zeit als heute. Die Bilder kosteten mehr, und sie waren es auch wert. Denn die einzelne Fotografie war ein Produkt einer aufwendigen Inszenierung, bei der sich nicht nur das Objekt, sondern auch das Subjekt in eine ideale Position brachte, um das Maximum herauszuholen.
Zwischen 2015 und 2019 sammelte Alberto Vieceli, Herausgeber und Gestalter der über 300-seitigen Publikation «Holding the Camera», Abbildungen aus Gebrauchsanleitungen, Verkaufsprospekten und Fotomagazinen. Es sind durchwegs analoge Schwarzweissaufnahmen, auf denen die Fotografinnen und Fotografen mit einer fast schon antiquierten Ernsthaftigkeit ans Werk gehen. Den entscheidenden Moment, um den es nach Henri Cartier-Bresson bei Fotografien geht, galt es bereits bei deren Entstehung zu finden.
Auch eine gewisse Naivität im Sinne von Gutgläubigkeit spricht aus den Augen der Akteure. In Zeiten, als Photoshop noch ein Fremdwort war, stand die Fotografie im Ruf, das bessere, weil realistischere Abbild der Welt zu liefern als die Malerei. So waren Fotografen wie Detektive auf der Pirsch, um eine vermeintlich unverfälschte Sicht auf die Dinge in einem Bruchteil einer Sekunde einzufangen.
Der Reiz mancher in diesem Band reproduzierten Bilder, die schwerpunktmässig in den 50er- und 60er-Jahren entstanden sind, liegt darin, dass die Fotografen – vor allem bei Werbebildern – nur so tun als ob. Auch der Blick zurück zum Verursacher trügt also. Es handelt sich um eine doppelte Brechung: Wir schauen nicht das Bild an, das gemacht wurde, sondern die, die es gerade machen. Bloss: Die spielen uns das nur vor.

Alberto Vieceli: Holding the Camera.
Everyedition, Zürich
und Spector Books, Leipzig, 2019.
300 S., ca. 32 Fr.
6 Kommentare zu «Alles eine Frage der Haltung»
Das Bild Nr. 7 müsste die Compass Kamera von LeCoultre (heute Jaeger-LeCoultre) sein.
Das Bild Nr. 10 zeigt eine Minox B.
Als Uhrmacher liebe ich besonders die Minox A und die Agfa Microflex100 (kleinste Serien Super8 Kamera)
Ich empfehle eine Andruckplatte der Firma GK-Film (antiquarisch, da Herr Klose leider 2018 verstarb)
Kein Schärfepumpen bei den S8 Kassetten mehr…
„Die Vorbereitungen dauerten länger, da die Feinjustierungen exakt und die Lichtverhältnisse ideal sein mussten. Bevor man auf den Auslöser drückte, verging beim analogen Fotografieren mehr Zeit als heute. “
Das ist reine Fiktion. Hier werden Aufnahmen verschiender Formate miteinander verglichen. Die Arbeit mit der analogen Spiegelreflex war nicht langsamer als die mit der digitalen Kamera. Der Fotograf bestimmt mit seinem Verhalten ob er rumballert oder Bilder exakt plant. Das hat wenig mit dem Werkzeug zu tun….. Es ist also m.E. ein Mythos, wenn geglaubt wird, dass früher langsamer gearbeitet wurde und man deshalb bessere Fotos machte. Die Verklärung der Vergangenheit sollte endlich mal aufhören. (Ich habe analog gelernt, Jhg. 1950)
Nö, das ist eine ganz normale Aufnahme mit einer 300er oder 450er Brennweite. Der Bildkreis des Objetivs ist recht gross, siehe den „fall“. Vermutlich wollte die Firma nur demonstrieren, was alles drin ist. Ich tippe auf eine 360er Brennweite. Sironar (Sinaron), Symmar, wegen des großen Frontlinsendurchmessers. Aber mit meinen Linhofs kriege ich solche Auszüge problemlos hin, ohne in den Makrobereich zu geraten, z.B. mit dem Apo-Ronar 9/300. Alles kein Problem.
Die Sinar (?) Aufnahme ist wirklich lustig. Mit so viel Balgenauszug wäre das eine Nah- bis Makroaufnahme; Objektiv is recht kompakt also so 150 – 240 mm. Aber mit einem so langen Kompendium müsste das Objekt *im* Kompendium sein. Der „Photograph“ sieht also nur Grauschlieren, die er da fein jüstiert! Höchst amüsant.
In der Tat weist der Name in der Datei auf eine Sinar hin, und tatsächlich ist das Objektiv zwischen den beiden Balgen zu erkennen — der vordere dient (vermutlich) als Seitenlichtschutz. Die Lichtabnahme auf Grund der Auszüge trifft zu; zur Korrektur wurde damals entweder direkt auf der Bildstandarte mit speziellen Belichtungsmessern ausgemessen, oder per Verlängerungsfaktor die Belichtungszeit angepasst. Kompliment an die Redaktion aber für die Auswahl dieses Bildes, dass auf die Anwendung auf Standartenverschiebung und mittelbar auch Scheimpflug’sche Regel hinweist — noch heute in Photogrammetrie «Thema». (https://de.wikipedia.org/wiki/Scheimpflugsche_Regel, http://www.denfo.de/fachkamera.html).
Die fragliche Aufnahme stammt aus der Gebrauchsanweisung für die Sinar P; jene für die Sinar Norma enthält eine ähnliche Aufnahme, bei der P2 findet sich noch ein entsprechendes Schema…
Im Text wird die Brennweite des Aufbaus nicht angegeben. Ich tippe auf etwas länger als Normal, für Table-Top-Objektaufnahme? Das Kompendium erscheint mir aber in der Tat etwas gar lang.
Die längsten Auszüge mit der Sinar, mit denen ich selber gearbeitet hatte, waren Aufnahmen auf Rollfilm 6×9 mit dem Apo-Ronar 600 mm; sah auch eindrücklich aus! Brauchte schon ohne Kompendium zwei Balgen mit Hilfsstandarte…