Unter der Gürtellinie
Schritt für Schritt hat der Fotograf Wolfgang Strassl eine Typologie der Londoner U-Bahn-Passagiere zusammengestellt.
Kaum eine Masse ist so wild zusammengewürfelt wie die Fahrgäste der London Underground. Bis zu fünf Millionen Menschen pro Tag lassen sich in der Tube durch London kutschieren. Geschlechter, Generationen und Schichten treffen aufeinander, die multikulturelle Gesellschaft verdichtet sich bis ins Extreme. Kurzum: Wer als Fotograf die Vielfalt der britischen Weltstadt abbilden will, ist hier richtig.
Nun kann man die U-Bahn-Passagiere so oder so porträtieren. Wolfgang Strassl tut es auf eine Weise, die auf den ersten Blick etwas anrüchig anmutet. Der Münchner fotografiert seinen Gegenübern nämlich auch mal in den Schritt – vorausgesetzt, sie präsentieren ihn so ungehemmt, wie es eigentlich nur Männer tun. Gänzlich blossgestellt werden sie dabei jedoch nicht, denn Strassl lässt ihre Gesichter bewusst weg.
Ohnehin geht es in der Bildserie «London Underground», die kürzlich in Buchform erschienen ist, nicht darum, wer die Fotografierten sind, sondern wie sie sind. Welche Signale sie mit ihrer Kleidung und Körperhaltung aussenden. Als Betrachter, der im eigenen ÖV-Alltag höchstens einen verstohlenen Blick riskiert, darf man hier für einmal völlig ungeniert hinschauen und sich die Geschichten hinter entdeckten Details ausmalen: Hängt der Typ so an seiner löchrigen Anzughose oder hat er den Schaden tatsächlich nicht bemerkt? Ist es seine einzige?
Vielleicht erkennt man die eine oder den anderen wieder. Nicht als Londoner, sondern als eine ganz bestimmte Art Pendler, wie es sie in vielen anderen Städten und Ländern gibt.

Wolfgang Strassl: Underground Portraits
Kerber Verlag, 2019, Hardcover
Englisch, 96 Seiten, 45 Bilder
Masse 17 × 20 cm
ISBN 978-3-7356-0633-4
Preis: ca. 30 Franken
Website: wolfgangstrassl.com
8 Kommentare zu «Unter der Gürtellinie»
Frage zu Streetfotografie:
„Was habe ich davon, wenn du ein Bild von mir machst?“….diese Frage wird hier ungenügend beantwortet.
Das ist leider der heutige Geschmack !!!!! Möglichstauffallen.
Unglaublich, mit was für Schrott an Kleidern und Schuhen sich viele zufrieden geben müssen. Das ist für mich die Aussage dieser Bilder.
Der Schrott von Kleidern und Schuhen ist meistens sehr teuer—man muss es haben um dabei zu sein…
45 Bildchen für 30 CHF über deren Wert für die Fotografie man streiten kann.
Ich selber finde manche Bilder abstossend
Ok Boomer.
@ Noah Meier: not so, Snowflake ;-)
Ich gebe Ihnen recht