Fake Nature
Der Fokus der Ausstellung «Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie» liegt auf dem Thema «Natur» und deren Imitation.
Sonja Braas, Forces #21, 2003. © Sonja Braas / Courtesy Galerie Tanit München
Die Nachbildung einer Naturform birgt andere Schwierigkeiten als die Nachbildung einer vom Menschen geschaffenen, ohnehin schon künstlichen Form. Als wahre Meister der Illusion erzeugen die Künstler(innen) Miniaturen von Fantasieorten, Meeres-, Schnee- und Gebirgslandschaften, urbanen Räumen oder Naturgewalten. Das Modellhafte verschwindet im Medium der Fotografie zunehmend und nicht selten entsteht der Eindruck einer täuschend echten Naturabbildung.
So beispielsweise in den Bildern von Sonja Braas, in denen uns Katastrophen wie Vulkanausbrüche, Wirbelstürme oder Überflutungen in all ihrer Theatralik entgegenschlagen. Die Schrecken und Furcht einflössenden Naturschauspiele, die zugleich von aussergewöhnlicher Schönheit sind, verweisen zwar auf romantische Vorstellungen des Erhabenen, verstehen sich aber eher als Kommentare zur omnipräsenten Bilderflut.
Thomas Wrede, Haus im Gebirge, 2007. © Thomas Wrede, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 / Courtesy Galerie Wagner + Partner and the artist
Thomas Wrede, Islands, 2008. © Thomas Wrede, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 / Courtesy Galerie Wagner + Partner and the artist
Thomas Wrede zeigt in seinen Fotografien entlegene, ortlose und unwirtliche Landschaften. Dafür wählt er einen mal kleineren, mal grösseren Ausschnitt einer Landschaft, in den er Modellhäuser, Miniaturfahrzeuge oder kleine Spielzeugbäume platziert. Die Proportionen verschieben sich und lösen bei der Betrachtung Verwirrung aus.
Julian Charrière, Panorama 52° 29′ 50.88″ N 13° 22′ 19.37″ E, 2011. © Julian Charrière, VG Bild-Kunst, Bonn 2019 / Courtesy Nils Petersen
Ganz ähnlich arbeitet auch Julian Charrière, der Erdhügel in monumentale Bergpanoramen verwandelt und mit der Erwartung von alpinen Orten spielt. Die titelgebenden Geodaten seiner «Panorama»-Serie verweisen anders als vermutet auf eine gewöhnliche Berliner Baustelle.
Oliver Boberg, Schatten 10 (Privatweg), 2016. © Oliver Boberg / Courtesy L.A. Galerie – Lothar Albrecht
Regelrechte Un-Orte begegnen uns in den Modell-Naturen Oliver Bobergs, der unscheinbare öffentliche Räume, sogenanntes Niemandsland, en miniature inszeniert, um sie anschliessend fotografieren zu lassen. Mittels erfindungsreicher Materialexperimente und einer ausgeklügelten Beleuchtung schafft er erstaunlich real wirkende Szenerien.
Shirley Wegner, Night Explosion, 2013. © Shirley Wegner / Courtesy Farideh Cadot Paris and the artist
Das künstlich Konstruierte ihrer Modelle lässt dagegen die Künstlerin Shirley Wegner bewusst sichtbar. In ihren grossformatigen Landschaftsaufnahmen bezieht sie sich auf keine konkreten Ereignisse, sondern beruft sich auf das eigene Bildgedächtnis. Aus Alltagsmaterialen baut sie raumfüllende Bricolagen von Landstrichen ihrer israelischen Heimat, die sie – kombiniert mit Malerei und Zeichnung – anschliessend mit der Kamera festhält.
Alle fünf Künstler(innen) stellen die Vorlagen für ihre Bilder von Hand her und verzichten auf eine digitale Nachbearbeitung. Sie bewegen sich somit im medialen Schwellenbereich zwischen Skulptur, Modellbau und Fotografie, wobei Letztere als abschliessende Präsentationsform Bedeutung erlangt, da die gebauten Modelle oftmals im Anschluss zerstört werden.

Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie
Alfred-Ehrhard-Stiftung, Berlin
11. Januar bis 26. April 2020
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