Die Schweiz, wie Schnyder sie sah
1967 drehte der Burgdorfer Regisseur Franz Schnyder mit «Die 6 Kummerbuben» seinen letzten Kinofilm. Ein Bildband erinnert
an die Dreharbeiten.
Trug Schnyder die weisse Mütze, hiess das, dass er gut gelaunt war. Trug er die schwarze, bedeutete es das Gegenteil.
Eigentlich sah er aus wie eine seiner Filmfiguren – mit seiner Manchesterhose, den groben Jacken und vor allem: seiner Knechtenmütze. Franz Schnyder war in den 50er- und 60er-Jahren der erfolgreichste Regisseur der Schweiz, Millionen hatten seine Gotthelf-Verfilmungen gesehen, «Uli der Knecht», «Uli der Pächter» oder «Die Käserei in der Vehfreude». Die Schweiz, das war die ländliche Schweiz, wie Schnyder sie zeigte, und er selber schien ein Teil davon zu sein.
Linda Geiser spielte die Mutter der Kummerbuben.
1967 wagte sich der Regisseur aus Burgdorf an ein Grossprojekt: Mit einem Budget von zwei Millionen Franken verfilmte er Elisabeth Müllers «Die 6 Kummerbuben» – fürs Kino und fürs Fernsehen gleichzeitig. In gerade einmal vier Monaten drehte Schnyder in Burgdorf und Umgebung 13 je 30-minütige Folgen für die Serie sowie den rührenden Kinofilm über die Taglöhner-Familie Kummer.
Beat Schenk spielte Fritzli, einen der Kummerbuben. Der Berner war 12-jährig, als er für den Film gecastet wurde. Nun hat Schenk einen Bildband herausgegeben, in dem die «Kummerbuben»-Dreharbeiten fotografisch dokumentiert sind. Den Impuls dazu gab ein Zufallsfund: Im Archiv des Ringier-Bilderdiensts tauchte 2009 ein Kuvert mit unveröffentlichten Dias des Pressefotografen Siegfried Kuhn auf. Später fanden sich im nationalen Filmarchiv, der Cinémathèque suisse, die Negative des damaligen Set-Fotografen Roland Bertschinger. Aus diesem Material stellte Schenk eine Art Making-of zusammen, das nicht nur Linda Geiser als Mutter Kummer im Gemüsegarten zeigt, sondern auch ein Wiedersehen mit Stars des frühen Schweizer Films wie Ruedi Walter, Margrit Rainer oder Ettore Cella ermöglicht.
Franz Schnyder castete Kinder aus der Region für die Rollen der Buben.
Innert vier Monaten drehte Schnyder den Kinofilm und die Fernsehserie in Burgdorf und Umgebung.
Sinn für Details: Franz Schnyder packte auf dem Filmset mit an.
Wie sehr Schnyder seine Umgebung in die Dreharbeiten miteinbezogen hat, zeigen jene Aufnahmen, in denen Dutzende Statisten am Werk waren – sogar einen ganzen Bahnhof hat Schnyder mit Menschen gefüllt. Und während beim Chindlifrässerbrunnen in Bern ein Schauspieler frisiert wird, geht der Alltag im Hintergrund seinen Gang.
Dreharbeiten in der Stadt Bern beim Chindlifrässerbrunnen.
Franz Schnyder mit seiner typischen Knechtenmütze.
Das Buch «Drehmomente» erinnert aber auch an den Charismatiker Schnyder, zeigt seine Detailversessenheit oder sein wildes Grimassieren auf dem Set. Trug er die weisse Mütze, war er gut gelaunt; die schwarze deutete auf schlechte Stimmung.
Die herrschte auch, als die ersten Kritiken zum Film erschienen. Das Heimatliche war passé, 1968 bebten die Städte. «So etwas von quer lag dieser Film in der Landschaft», schreibt Bernhard Giger im Vorwort. Es sollte auch eine Zeitenwende für Franz Schnyder werden: «Die 6 Kummerbuben» war sein letzter Kinofilm.

Die 6 Kummerbuben. Drehmomente.
ISBN 978-3-905939-60-6
4 Kommentare zu «Die Schweiz, wie Schnyder sie sah»
Herrlich, werde das Buch kaufen!
Warum heisst es „Knechtenmütze“? Noch nie was von „Zipfelchappe“ gehört?
Das Buch und die Filme erinnern an eine Zeit die nie wieder kommen wird…jedoch noch etwas lebt in den abgelegenen Berggegenden. Sicher nicht ideal…auf dieser Welt ist nichts ideal und alles aendert durch die Natur des Menschen…aber doch auch schoene Zeiten. Meine Grosseltern im Glarnerland lebten genau so und diese Kindheitserinnerungen sind heute kostbar. Wir hatten natuerlich keine Ahnung wie hart ihr Leben war…fuer uns ein grosse Abenteuer im engen Bergtal ungestoert von whats app etc. herumzustreifen. Es machte uns unabhaengige und starke Mensche…die nicht konfus sind ueber was sie sing..:-) Das Buch kaufe ich!
Ja die alte Schweiz die zuckte 1967 noch ehe sie 1968 gestorben ist.
Dabei zeigten die Gotthelf Filme die Schweiz im 19.Jahrhundert vor der Industriellen Revolution.
NIGUGEGL
Nostalgieischguetundgiteguetilune
„…gerade einmal…“ warum immer dieser deutsche Dialektausdruck?