Rote Kreuze im Regenwald

Die klassischen Abholz-Schockbilder findet man bei Tomas Wüthrich kaum. Dafür Bilder von Menschen, für die der Wald die Welt bedeutet.

Im Urwald läuft jeder in seinem eigenen Tempo. Dawai, dawai, nimms ruhig, so sagen die Penan. Tomas Wüthrich aus Liebistorf ist trotzdem immer wieder an seine körperlichen Grenzen gestossen. 2014 kam der Fotograf zum ersten Mal für eine Auftragsarbeit nach Borneo. Und es war nicht das letzte Mal. Insgesamt sechs Monate verbrachte er mit der Gruppe um Häuptling Peng Megut am Meli’it-Fluss.

Nicht mehr viele Penan leben so wie sie, als Teilnomaden im Regenwald von Sarawak. Nicht mehr viele wissen, wie man mit dem Blasrohr Eichhörnchen jagt, wie man das Mehl der Sago-Palme gewinnt und wie man die Rufe von Fasan, Rhinozerosvogel, Makake und Hose-Langur auseinanderhält. Heute sind nur noch zehn Prozent des ursprünglichen Walds intakt. Manchmal findet Peng rote Kreuze an Baumstämmen. Die Bulldozer rücken immer weiter vor.

Die klassischen Abholz-Schauerbilder aber findet man bei Wüthrich nur selten. «Ich habe den Eindruck, dass solche Bilder die Menschen gar nicht mehr wirklich berühren», sagt er, «ich wollte tiefer in den Regenwald eindringen, das Leben der Menschen zeigen.» Die Moderne dringt auch so durch: ein T-Shirt mit Superman-Aufdruck, Handys, Plastikplanen, Zeitungen.

Gegen die Abholzung auf Borneo kämpfte auch der Schweizer Umweltaktivist Bruno Manser. Seit dem Jahr 2000 gilt er als verschollen. Peng besitzt noch einen Brief von ihm, in dem Manser den Minister von Sarawak bittet, den Holzfällern die Lizenzen zu entziehen. Bald wird die Feuchtigkeit des Regenwalds das Papier aufgelöst haben.

Wüthrich zeigt die Penan aus der Perspektive eines teilnehmenden Beobachters, er überhöht sie nicht zu Menschen, die wissen, wie das Urleben, das vermeintlich «richtige Leben» geht. Auch die Gruppe um Peng verkauft Teile von geschützten Tieren. Denn auch sie braucht Geld, für Medizin, Munition. Doch das ganz grosse Geld, das dem Häuptling immer wieder von Holzfällerfirmen angeboten wird, hat er immer wieder abgelehnt. Seine Begründung war immer dieselbe: «Der Wald ist unser Supermarkt. Meine Füsse sind meine Autos. Sie bringen mich auf jeden Berg und durch jeden Fluss.» Und er weiss: Das Geld wird schnell weg sein.

Wüthrich wollte die Bilder dieser Kultur nicht «zwischen zwei Deckeln vergraben»: Sein Bildband «Doomed Paradise» besteht aus feuchtigkeitsbeständigem Kalkpapier und ist nicht verleimt. Damit Wüthrich die Bilder in den Wald zurückbringen kann. Und die Feuchtigkeit dieses Zeugnis der letzten nomadisch lebenden Penan nicht nach und nach auflöst, so wie den Brief von Manser.

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Fotografien von Tomas Wüthrich. Mit Texten von Ian B.G. Mackenzie und Lukas Straumann
1. Auflage, 2019
Text Deutsch / Englisch / Penan
Broschiert, 160 Seiten, 100 farbige Abbildungen, 22 x 30 cm
ISBN 978-3-85881-642-9
CHF 49.- Scheidegger & Spiess

 

Galerie 2. Obergeschoss, Eintritt frei
Di-Fr 10.00-19.00 Uhr
Sa 10.00-17.00 Uhr
So/Mo geschlossen

 

5 Kommentare zu «Rote Kreuze im Regenwald»

  • Inka Longa sagt:

    Ich weiss nicht wie die Menschen auf Borneo die Natur und Tiere respektieren aber in Afrika haben sie Schmetterlingen die Flügelchen abgerissen um daraus für Touristen Bilder herzustellen. Das stand mal in einer Zeitung.

  • vivienne schmid sagt:

    danke für diesen beeindruckenden beitrag. die bilder berühren mich sehr.

  • Markus Schwarz sagt:

    Es ist so wichtig, dass sich mehr Menschen für den Schutz der wenig übriggebliebenen, einzigartigen, wunderbaren, mystischen Lebensräume einsetzen.
    Eine Schande sondergleichen, wie der grösste Teil des Urwaldes schon für immer vernichtet wurde….
    Und zum allergrössten Teil geht es nicht um Leben, es geht um reine, raffgierige Profitmaximierung, von eiskalten Businessleuten.
    „Die Ausbeutung der Urwälder“ von ARTE kann ich jedem empfehlen. Ganz neue Dokumentation von vor einer Woche, frei zugänglich auf dem Youtube-Kanal von ARTE.

    SCHÜTZEN WIR DEN URWALD ENDLICH!

  • Inka Longa sagt:

    Sehe fast kein Unterschied zwischen heutiger unserer Zivilisation und diesem ihren dschungelLeben. Man sucht sich immer noch den Schwächeren aus um irgendetwas zu erbeuten. Aber möglicherweise bin ich heute etwas depressiv und sehe es schwarz.

    • Markus Schwarz sagt:

      Es wird aber nur soviel genommen, wie man zum Leben braucht!
      Hier wird bis zum geht nicht mehr ausgebeutet. Bis zur Ausrottung von hundertausenden Arten! – täglich sterben bis zu mehrere hundert Arten aus. Täglich! Wir haben das grösste Massenartensterben seit den Dinos augelöst! –
      Diese Menschen leben mit dem Wald. Mit der Natur. Respektieren sie. Hier wird jedes Stück Wiese, Weg- und Waldrand mit Mäher und Trimmer heruntergemetzelt.
      Wir haben unsere Wälder schon vor hunderten von Jahren vernichtet. Es gibt nur noch Kulturwälder, welche auch wieder dem Profit der Forst-Wirtschaft dienen.
      Milliarden über Millliarden Tiere in der höchst quälerischen Massentierhaltung… Für den reinen Genuss und das Geld.
      Ja, da wird man depressiv. Setzen wir uns für eine bessere Welt ein!

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