Die Dauerwelle des Zeitgeistes
Dank dieser Bilder fanden Kundinnen des Salons Elsässer in Zürich ihre Wunschfrisur.
Ich gehe einmal im Jahr zum Coiffeur. Und das auch nur, weil es sich bei Letzterem um einen Freund handelt, der ansonsten beleidigt wäre – in der falschen Annahme, ich könnte zur Konkurrenz gehen. Manchmal schneide ich mir die Haare auch vor dem Spiegel, mit der Kinderschere meines Sohnes. Das alles macht mich zum untypischsten aller Fürsprecher dieses Bildbands. Oder vielleicht gerade nicht? Wer «Fünf Finger Föhn Frisur» (Edition Patrick Frey) anschaut, der erfährt, was für ein mächtiges Instrument die Haare in der Gesamtgestaltung des Kopfes sind.
Augen, Nase, Mund, sie alle sind naturgegeben – nur die Haare lassen sich gestalten. Ein Umstand, den die Adligen dieser Welt früher als Distinktionsmerkmal nutzten – indem sie sich Perücken aufstülpten, die sich die unteren Schichten nicht leisten konnten. Mit dem Bürgertum gab es eine Rückkehr zur haarigen Natürlichkeit, die freilich auch immer wieder in Statements mündete: hier der streng gezogene Seitenscheitel, da die Hippiemähne.
Der vorliegende Band zeigt nun Frauenfrisuren aus den sogenannten Zeigebüchern des Zürcher Salons Elsässer, aufgenommen von Peter Gaechter und Bettina Clahsen. Die Analogfotografien atmen den Geist jener Zeit, in der sie aufgenommen wurden: zwischen den frühen 70er- und den ausgehenden 90er-Jahren. Viele dieser makellosen, polierten Aufnahmen erinnern an die Roboterfrauen im Film «The Stepford Wives». Vielleicht mag das auch daran liegen, dass die Kundschaft des besagten Salons aus gehobenen Kreisen stammt, wo der aparte Stil der Gesellschaftsdame noch bis in die 80er-Jahre hinein dominierte. In späteren Aufnahmen allerdings kommen Schnitte vor, die mir besser gefallen. Der Pixie Cut zum Beispiel, der laut dem Begleittext auf die feministischen Punks zurückgeht, hat eine ähnlich zerzauste Haarlinie wie meine Do-it-yourself-Frisur.

«Fünf Finger Föhn Frisur»
Softcover, 224 Seiten, 160 Farbabbildungen
22.5 x 28.5 cm
ISBN Nummer: 978-3-906803-83-8
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