Das chinesische Las Vegas
Jährlich besuchen 30 Millionen die südchinesische Hafenstadt Macau. Der Genfer Fotograf Christian Lutz war in der Märchenwelt.
Neben der Altstadt Macau, einst eine portugiesische Kolonie, haben die Chinesen eine Traumwelt mit zahlreichen Hotelkästen und Spielcasinos hochgezogen. Der gigantische Unterhaltungskomplex erwirtschaftet siebenmal mehr Umsatz als Las Vegas, das in jeder Hinsicht Vorbild war.
Der Genfer Fotograf Christian Lutz begibt sich in seinem neuesten Fotoband mitten hinein in diese Glitzerwelt, die er in seinen erfrischend bunten Bildern als Kopie einer Kopie vorstellt. Während die Traumwelten in den Hotels von Las Vegas die touristischen Hotspots Europas wieder aufleben lassen, erleben diese nun in Macau eine gar noch prächtigere Renaissance.
Zuerst lenken die Fotos unseren Blick auf die Fassaden, die aus gotischen und barocken Versatzstücken bestehen. Dann staunen wir über die goldenen und marmornen Wände und Böden. Beim weiteren Blättern stossen wir auf einen glasüberdachten Innenhof voller giftgrüner Giraffen, deren Fell aus Kunstrasen besteht. Allmählich bevölkern sich die Bilder mit mustergültig gekleideten chinesischen Mittelstandsfamilien. Dann kommen geradezu nachlässig angezogene Casinotouristen hinzu, die zu Millionen aus der Provinz Guangdong in das Unterhaltungsparadies strömen. Schliesslich prosten sich Geschäftsmänner in ihren dunklen Anzügen zu.
Immer wieder gelingt es dem Fotografen, den verlorenen Blick der Menschen einzufangen, die sich in den überreich ausgestatteten Architekturen amüsieren oder auch nur müde abhängen, in den bunten Luxusboutiquen shoppen und zu Tausenden an den Spieltischen ihr Glück versuchen. Der Bildband lebt von den Kontrasten, die sich ergeben, wenn gewöhnliche Menschen in königlich ausgestatteten Gemächern herumlümmeln, was ja etwas ungemein Demokratisches hat, aber auch immer wieder aufs Neue absurd wirkt.

Christian Lutz: The Pearl River
Edition Patrick Frey, Zürich 2019
152 S., ca. 52 Fr.
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