Eine Stadt, zwei Welten
Toby Binder dokumentiert in seiner Fotoserie aus Belfast den Alltag von Jugendlichen in protestantischen und katholischen Quartieren.
«Die Leute leben im Frieden nebeneinander her, aber sie leben nicht miteinander», stellt der deutsche Fotograf Toby Binder fest. «Der Alltag der verschiedenen communities findet komplett in ihren eigenen Stadtvierteln statt.» Der 1977 in Esslingen geborene Fotoreporter hat Jugendliche in sechs protestantischen und katholischen Vierteln in Belfast porträtiert, die noch immer von hohen Mauern – den «Peace Walls» – getrennt werden. Die prekäre Lage wird durch den nun bevorstehenden Brexit alles andere als entschärft.
Wir blicken auf düstere Szenen mit Jugendlichen, deren Blicke ins Leere gehen. Das schlechte Wetter auf den durchgehend in Schwarzweiss gehaltenen Fotografien verstärkt den hoffnungslosen Eindruck noch. Nirgendwo gibt es einen Farbtupfer oder ein Leuchten, das für Freude oder ein wenig Spass sorgen würden. Selbst die Kinderumzüge gleichen militärischen Paraden und die Tambourstäbe Waffen. Gerade diese einseitige Perspektive Toby Binders auf Belfast verleiht den Bildern ihren Sog.
Die meisten Jugendlichen leiden unter denselben Problemen, egal auf welcher Seite der Mauern sie leben: Bandenkriminalität und Drogen, Arbeitslosigkeit und Gewalt. «Die Idee des Buches war, zu zeigen, dass die Gemeinsamkeiten viel grösser sind, als es sich diese beiden Gemeinschaften, die sich so verfeindet gegenüberstehen, eingestehen. Die Kids tragen die gleichen Trainingsanzüge, haben die gleichen Frisuren, trinken die gleichen Getränke, nehmen die gleichen Drogen und haben die gleichen Abläufe im Alltag. Man würde sie nicht unterscheiden können», erklärt Binder in einem ARD-Interview.
Seine Fotografien führen auf beklemmende Weise vor Augen, welche Auswirkung eine militante, militärisch geformte Gesellschaft auf die Individuen hat – von freier Wahl keine Spur.

Toby Binder: Wee Muckers.
Youth of Belfast. Kehrer-Verlag. 120 S., ca. 48 Fr.
Ein Kommentar zu «Eine Stadt, zwei Welten»
Ich kenne leider Leute (teils aus meiner Familie dort) die als Kinder mit Angst, Hass und Vorurteilen geimpft wurden, die in Afghanistan Dienst leisteten nur um zu lernen wie sich Taliban „erfolgreich mit einfachen Mitteln gegen GB-Militärs wehrten“, die wenn „nötig“ hemmunslos Menschen töten werden (dies haben sie gelernt und kennen die Schwachstellen ihrer Ex-Kameraden) und erfolgreich Waffen + Sprengstoff nach Nordirland geschmuggelt und versteckt haben.
Dies ist das, was mir am Meisten beim Brexit Angst macht. Es werden relativ wenige Leute davon betroffen sein, die aber heftig. Und die Spirale der Gewalt wird sich beschleunigen und damit weiteren Generationen die unbeschwerte Kindheit rauben.