Das tägliche Erdbeben in Mumbai
Peter Bialobrzeski macht uns ein Bild von der Gewalt, mit der die Globalisierung die Metropolen erschüttert. Zum Beispiel in Indien.
Wo kommen denn jetzt die ganzen Leute her? Dumme Frage. Wir sind in den Suburbs von Mumbai, und hier leben auf einem Quadratkilometer 22’000 Menschen. Also fünfmal mehr als in Zürich. Und achtmal mehr als in Bern. Aber wundern kann man sich trotzdem. Immerhin hatte es der deutsche Fotograf Peter Bialobrzeski bisher immer wieder auf menschenleere Szenen abgesehen, und das in jeder Metropole, die er in den letzten fünfzehn Jahren porträtiert hat. Urbanität und ihre Transformation – das ist sein Thema.
Doch während herkömmliche Architekturfotografie das Gebaute erstarren lässt, machen seine Bilder jene Kräfte sichtbar, die die Grossstädte weltweit erfassen. Die sie wie ein chronisches Beben erschüttern, zerstören und neu erschaffen. Es ist die Physik von Kapital, Globalisierung und Migration, und besonders drastisch zeigt sie sich in Mumbai. Hier hat sich der Staat aus dem Städtebau zurückgezogen und ihn der liberalisierten Ökonomie überlassen. Was bedeutet das für die Bewohner? Diese Frage stellt sich mit den belebten Szenen noch mehr als mit den kühlen, schaurig-schönen Tableaus, für die man Bialobrzeski bisher vor allem kannte: Hier bekommt man eine handfeste Ahnung von den gesellschaftlichen Verwerfungen, die auf die städtebaulichen Erschütterungen folgen. Von Gegensätzen und Konflikten. Vom Improvisieren und Arrangieren. Von Gewinnern und Verlierern. Vom Kampf um die Stadt.

Peter Bialobrzeski: No Buddha in Suburbia. Hartmann Books, Stuttgart 2019. 168 Seiten, 75 Abbildungen, etwa 50 Franken.
7 Kommentare zu «Das tägliche Erdbeben in Mumbai»
„fünfmal mehr“? Bedeutet das 6 mal soviel oder meinen Sie 5 mal soviel? Wenn letzteres gemeint sein soll, warum schreiben Sie das dann nicht? Geht Ihnen jeder Hang zur Logik ab? Wenn es 5 mal mehr gäbe, müsste es auch 1 mal mehr geben. Wäre 1 mal mehr dann das Doppelte? Warum können Sie sich nicht klar ausdrücken? Muss man das als Redaktor nicht mehr beherrschen?
Ist es heute leider tatsächlich so, dass jeder/jede sich immer unnötig korrigierend einmischen muss. Bin der Ansicht, dass der Spruch ‚zuerst vor der eigenen Haustüre ausmisten‘ zwischendurch angewendet werden könnte.
Indian hat drei Probleme : Bevölkerungsexplosion (Geburtenkontrolle), Kasten, Korruption – Indien ist reich und unterhält zudem eine grosse und teure Armee mit Atomwaffen – auch einen horrenden wirkungslosen lähmenden Beamtenapparat
Die Bilder zeigen einfach, wie Menschen auch mit sich und anderen umgehen. Ich kenne Städte, wo Obdachlose in Kartonschachteln leben, alles sehr aufgeräumt und sauber. Die Ansprüche an sich selbst und was man bereit ist, selber zu tun, um seine Umgebung einigermassen erträglich zu gestalten sind auch ein Massstab menschlicher “Qualität”.
Indien war übrigens schon vor 5000 Jahren globalisiert, aber nicht unbedingt Mumbai. Das geschah vor allem unter den Briten (Gate of India). Dass der Staat sich wieder aus dem sozialen Wohnungsbau zurück zieht ist zwar schade, aber das hatte noch nie wirklich eine Tradition im modernen Indien. Nur bei staatlichen Unternehmen die für ihre Mitarbeiter bauten, selbst Ferienresorts. Fast wie im Ostblock einst(die ersten/Vorbild waren allerdings die Fugger). Interessant ist, dass die die man abgibt mit Bewohner gefüllt sind, die vorher wild in Slums gelebt haben. Zur Zeit entstehen gerade neue Viertel dieser Art wie oben beschrieben. Aber die Bewohner sind nicht immer zufrieden, obwohl sie theoretisch müssten. Was wird uns also im Artikel nicht mitgeteilt und ein Mitgrund sind für den Rückzug?
Hier zeigen sich Globalisierung und Liberalisierung von ihren schlimmsten Seiten und bestätigen somit auch, dass sie hauptsächlich der reicheren Bevölkerung etwas bringen!
Aber Begriffe wie Geburtenkontrolle (wofür Indira Grandi damals umgebracht wurde) oder noch Umweltverschmutzung kommen auch hoch, abgesehen von dem Mitleid mit der Bevölkerung die in solchen Verhältnisse leben muss, wohlgemerkt neben den zahlreichen Indischen Millionären und ihrem zur Schau gestellten Prunk!
Sie scheinen diese Sache in Mumbai mit dem Wohnungsbau nicht recht zu kennen. Ich verfolge es seit 1985. Und Indira wurde nicht wegen der Geburtenkontrolle umgebracht, das war wegen der Erstürmung des goldenen Tempels in Amritsar. Die Geburtenkontrolle damals war so, wer sich sterilisieren liess bekam ein portables Radio. Weniger bekannt waren die illegalen Zwangssterilisationen in ihrer Zeit von Männern und Frauen eine gewisse Zeit lang, vergleichbar mit dem illegalen Organhandel in Indien. Und viele ziehen gar die alten Verhältnisse vor, aber dazu muss man mehr wissen wie das was bei uns in Zeitungen und Magazinen steht. Die Slums waren zentral, die neuen Siedlungen dezentral, was nicht unbedingt ein Vorteil ist. Unter den Bewohnern habe in den Neubauten gar die Kriminalität zugenommen.