Unterwegs mit der Spionkamera

Vor rund 125 Jahren fotografierte ein junger Student aus Oslo seine Mitmenschen mit einer Linse im Knopfloch.

Ein heimliches Foto schiessen – heute überhaupt kein Problem. Kurz aufs Smartphone getippt, und schon ist das Bild im Kasten. Ein wenig komplizierter war das Prozedere im Jahr 1893. Carl Størmer, ein junger Mathematikstudent an der Universität von Christiana (heute Oslo), hatte sich damals in eine junge Dame verguckt, die er nicht kannte. Und mit seinen 19 Jahren war er zu schüchtern, um sie anzusprechen. Eine Fotografie von ihr musste also vorerst reichen.

So legte er sich eine abenteuerliche Apparatur zu, eine Spionkamera, die er in seiner Weste verstecken konnte und mit der er seinen Schwarm unerkannt ablichten konnte. Aus der Liebe wurde nichts, denn die Frau wanderte nach Amerika aus. Doch mit der Fotografie hatte Størmer eine neue Leidenschaft entdeckt.

 

 

 

 

 

Während seiner gesamten Studienzeit steckte Carl Størmer immer wieder seine Kamera in die Tasche, um die Leute in und um Oslo festzuhalten – mal mehr, mal weniger heimlich. Bei dem Gerät handelte es sich um die «Geheim Camera» von C.P. Stirn, einem deutschen Fabrikat, das auf einem amerikanischen Patent basierte. Sie hatte die Form einer Taschenuhr und war etwas grösser als eine Untertasse (klicken Sie hier für ein Bild). Man steckte sie sich in die Westentasche, wobei das Objektiv aus dem Knopfloch ragte. Mittels Kordel, die bis runter zur Hose ragte, konnte der Fotograf nahezu unbemerkt die Belichtung auslösen. Auf dem kreisförmigen Film fanden sechs ebenso runde Negative Platz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Insgesamt schoss Størmer rund 500 solcher Bilder, womit er sowas wie ein Pionier der Strassenfotografie war. Und da er sich einen Spass daraus machte, gezielt auf Prominente zuzugehen, wurde er zum vielleicht ersten Paparazzo der Welt. Das Norsk Folkemuseum hat die Aufnahmen digitalisiert und zeigt sie auf seiner Website. Hier geht es zur Sammlung.

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Frederik Carl Mülertz Størmer, wie er mit vollem Namen heisst, kam 1874 als Sohn eines Apothekers in Skien zu Welt. Von Kindesbeinen an interessierte er sich für die Naturwissenschaften, sei es Astronomie, Meteorologie oder Botanik.

Akademisch widmete er sich schliesslich der Mathematik und schaffte es auf dem Gebiet zum renommierten Professor. Bekanntheit erlangte er überdies mit der Erforschung der Polarlichter.

6 Kommentare zu «Unterwegs mit der Spionkamera»

  • Jan Holler sagt:

    Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Und wieder einmal zeigt sich: Fotografie lebt nicht von der Schärfe und Dynamik, sondern vom Inhalt. 500 Bilder hat er gemacht. Hätte gern gewusst, wie er das finanziert hat.

  • Michael Przewrocki sagt:

    Hauptsache der Verschluss war nicht verklemmt………….

  • Jessas Neiau sagt:

    Ausser dass die Bilder rund sind sehe ich keinerlei Besonderheit an diesen qualitativ sehr schlechten und wenig originellen Fotos. Wer heute heimlich Bilder macht kann gerichtlich belangt werden – warum wird dieser verklemmte Spanner nicht als das bezeichnet, was er war?

    • Meier sagt:

      Verklagen sie ihn doch ;-)

    • Marcel sagt:

      Mein Gott, sind Sie ein humorloser und verständnisloser Mensch!

      • Anne des Boisbaudry sagt:

        Es gibt tatsächlich Leute die verbringen Ihr ganzes Leben damit Welten zu erforschen die anders sind als Ihre eigenen. Mögen Sie in der Vergangenheit, Zukunft oder weit weg liegen. SIe müssen das nicht verstehen. Aber dann lassen Sie es dehnen die es verstehen. Es gibt Sachen die sind nicht für alle gemacht. Und googeln Sie mal Strassenphotographie. Das ist der moderne Pendant zu dem was er gemacht hat.

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