«Wie die Pforten zur Hölle»
Text: Daniel Di Falco, gebloggt von: Kelly Eggimann, 23. Februar 2019
Eine Welt, die von der Kohle lebt und im grauen Staub vergeht: Sebastian Sardi fotografiert im Norden Indiens.
Beladur Kumar, Bokapahari, 2014. Bild: Sebastian Sardi
Er habe Löcher gesehen, berichtet er, «die aussehen wie die Pforten zur Hölle». Und Geschichten gehört von Leuten, die in der Nacht gestorben seien, im Schlaf, als ihre Häuser einstürzten über Spalten, die sich in der Erde öffneten. Die Apokalypse? Gewiss. Und Sebastian Sardi hätte wohl auch jene biblisch anmutenden Spektakel fotografieren können, die man von Sebastião Salgado kennt: Menschen, die über Bergbauhalden krabbeln und pickeln im Schweisse ihres Angesichts, zahl- und namenlos wie Ameisen, alles gesehen aus gottgleich erhöhter Warte.
Dog, Lodna, 2017. Bild: Sebastian Sardi
Kumkum, Dhansar, 2015. Bild: Sebastian Sardi
Pintu & Lalobu, Dhansar, 2015. Bild: Sebastian Sardi
Dhansar Village/Mine, 2017. Bild: Sebastian Sardi
Teni, Chandkuya, 2017. Bild: Sebastian Sardi
Broken Ambassador, Jharia, 2017. Bild: Sebastian Sardi
Singh, Kuyan Mine, 2014. Bild: Sebastian Sardi
Blasting Shelter, MOCP (Murkunda Open Cast Project), 2015. Bild: Sebastian Sardi
Lohasin & Rajindar, Chandkuya, 2015. Bild: Sebastian Sardi
Aber Sardi, Fotograf aus Stockholm, geboren 1983, blieb bei den Menschen. Weil er ihnen in die Augen sehen wollte. Weil sie auf seinen Bildern ein Gesicht und eine Würde haben sollten. Pintu und Lalobu (links) beispielsweise oder Singh (rechts) – wie sie gräbt eine ganze Bevölkerung mit blossen Händen im Geröll der Gruben nach den «schwarzen Diamanten», wie man hier die Kohle nennt.
Jharia, ein Hügelland im Norden Indiens, ist das Zentrum der Kohleförderung einer boomenden Nation. Ihr Hunger nach Energie ist Segen wie Verderben. Weil hier alle von der Kohle leben. Und weil der Abbau zugleich ihre Heimat unbewohnbar macht. So ein Unterstand (oben) schützt zwar vor dem Steinhagel bei den Sprengungen. Nicht aber vor dem grauen Staub, der sich pausenlos auf alles legt. Und auch nicht vor den giftigen Gasen aus dem Boden. Als vor über einem Jahrhundert die Förderung begann, entzündeten sich die ersten Kohleflöze. Seither brennen im Untergrund die Feuer. Weil sie nicht zu löschen sind, wie die einen sagen. Weil es den Firmen passt, so sagen es die anderen, wenn wieder ein Dorf verschwindet. Und Platz macht für die nächste Grube.

Sebastian Sardi: Black Diamond
Kehrer, Heidelberg 2019. Englisch
104 Seiten, etwa 45 Franken.
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