In Russland regnet es Raketen
In den Wäldern von Plessezk findet man mehr Raumschiffe als Pilze.
Garten voller Weltraumschrott: Alexander Schuwajew zählt zu den grössten Bootsherstellern der Region. Mit diesen Materialien baut er nicht nur Boote auf Bestellung, sondern auch Schlitten und Arbeitsgeräte wie Hacken und Sensen. (Russland, 2018)
Die Geschichte geht bis in die Zeit des Kalten Kriegs in den 1950er-Jahren zurück, als das Kosmodrom Plessezk das bestgehütete Geheimnis der Sowjets war. Versteckt in der Taiga, 800 Kilometer nördlich von Moskau, verschaffte es der Supermacht einen militärischen Vorteil. Für die Interkontinentalraketen der UdSSR konzipiert, entwickelte sich Plessezk aber bald – neben Baikonur in Kasachstan – zum Startplatz für die Raumfahrt. Die Raketenstufen liess man ….
Denkmal am Bahnhof der Stadt Plessezk: Das Kosmodrom, der Raketenstartplatz in der Oblast Archangelsk, liegt nur 4 Kilometer weit entfernt.
Anton, 13, steht neben einem Raketenteil im Dorf Dolgoschtschelje im Sperrgebiet der Kleinstadt Mesen.
Pawel zeigt einen Energiespeicher, von denen die Raketen voll sind und die Gold enthalten, extrahiert und nach Gewicht verkauft wird.
Die Wirtschaft im Dorf Sowpolje in der Oblast lebt vom Verkauf von Pferden.
Der 46-jährige Pawel bedeckt seinen aus Raketenteilen selbstgebauten Schlitten mit Rentierfellen.
Eine Deponie für grosse, ungenutzte Objekte, die aufgrund logistischer Probleme nicht entsorgt werden können.
Das Dorf Sowpolje wird von 150 Menschen bewohnt. Im Winter bewegen sich die Menschen mit den Raketenschlitten oder mit Pferdekutschen.
Hier lebt der Holzfäller Alexander Schorowski. Seine Haupteinnahmequelle ist die Gewinnung von Raketenteilen, die er recycelt und verkauft. Im Fernsehen die Fotos seines ersten Fundes in der Tundra.
Pawel begann, Raketen aus der Perestroika zu bergen. «Wenn sie ganz in der Nähe des Dorfes fallen, kann man sehen, wie die Fenster zittern, und man hört ein lautes Geräusch. Nach dem ersten Getöse hört man meist noch weitere».
Schneebedeckte Raketenteile, etwa 480 Kilometer von der Startrampe entfernt.
…. dabei sorglos in die Wälder fallen, die als unbesiedeltes Gebiet galten. Doch es gab Bewohner, ganze Dörfer in der Umgebung. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als die staatliche Kontrolle nachliess, erwachte ihre Neugier. Und siehe da: Die hundertfach herumliegenden Wrackteile enthielten Wertvolles. Flugs wurden die Projektile zu Schlitten oder Booten (man nennt sie hier stolz «Raketa»). Gold und Titan konnte man von den Innenwänden abkratzen und verkaufen. Die Verseuchung mit dem Treibstoff Heptyl sah man den Teilen nicht an, und als sich seine krebserregende Wirkung herumsprach, änderte das auch nichts. Zu gross waren die Vorteile der Weltraummüll-Ökonomie für die Menschen in dieser unwirtlichen Gegend, wo im Winter Temperaturen um minus 40 Grad herrschen und im Sommer Überschwemmungen den Verkehr behindern. Der in Rom lebende Fotograf Raffaele Petralla (37) reiste letztes Jahr zweimal in die Gegend und dokumentierte das Leben der Müllverwerter. Mit stoischer Ruhe haben sie die giftigen Himmelsgeschenke in ihren Alltag eingebaut: Teenager bewachen den schon gefundenen Schrott, während im Wald noch herrenlose Teile durch die Schneedecke stossen. Heute ist der Weltraumbahnhof Plessezk übrigens gefragter denn je, und wenn die Bewohner das Geräusch von fallenden Raketen hören, heisst es für sie: Nachschub.
4 Kommentare zu «In Russland regnet es Raketen»
Irgendwie will der Beitrag den Eindruck erwecken, die russische Raumfahrt ginge unverantwortlich mit ihrem Raketenschrott um. Die Europäer haben aber dasselbe Problem in Kourou und die Amis in Cape Canaveral. Nur: Man startet nach Osten, um vom zusätzlichen Schub durch die Erdrotation (von West nach Ost) zu profitieren. Da fällt halt der europäische respektive amerikanische Raketenschrott halt in den Atlantik anstatt aufs Land – aus den Augen aus dem Sinn, und kein diesbezüglicher Bericht möglich.
Genau dasselbe habe ich auch gedacht!
Eine diesbezügliche Stellungnahme des Autors und der Redaktion wäre begrüssenswert.
Auf dem Weg nach Tokio, Blick aus dem rechten Cockpitfenster meiner B747, kurz vor Archangelsk, der geheime Ort Plessesk, Startrampe für circumpolare Satelliten, vor allem zur militärische Spionage.
Bekannt nur unter Raketenafficionados von Peenemünde bis Baikonur.
Kurze zeit später rechts Workuta, Dantes Inferno der sowjetischen Gulags, kaum bekannt, wäre aber auch einer Reportage wert.
Super finde ich sehr toll…..!!! Eben Russen…!!! Steinhart wie Diamant…!!!