Strasse der Träume
Ein Roadtrip durch Ostdeutschland, auf der Suche nach Erklärungen zum Rechtsruck.
«Wovon träumst du?» Diese Frage stellte Thomas Victor vielen Menschen entlang des Weges und bat sie, ihre Antworten aufzuschreiben. Sie reichten von einem «Haus am Meer» bis zu einem «schönen Tod». Foto: Thomas Victor
Weil sie den ostdeutschen Rechtsruck verstehen wollten, reisten der Fotograf Thomas Victor und der Journalist Raphael Thelen monatelang durch Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Sie begegneten Hass, Rassismus und Engstirnigkeit. So wie es dem Klischee von Ostdeutschland entspricht. Sie begegneten aber auch immer wieder Menschen, die da irgendwie nicht reinpassten. Ein Bürgermeister, der Flüchtlinge willkommen hiess, oder alternative Jugendliche in einem Hausprojekt.
Zittau liegt im Dreiländereck zwischen Tschechien und Polen. Nachts stehlen sich Diebe über die Grenze, lassen Autos mitgehen. Rechtspopulisten, denkt man, sollten hier ein leichtes Spiel haben. Stattdessen regiert ein Bürgermeister die Kleinstadt, der offen für Europa und die Aufnahme von Flüchtlingen wirbt. Foto: Thomas Victor
Träumer. Übersetzung: «Ich will wie ein Mensch leben. Mein liebster Traum ist es, IT zu studieren.» Foto: Thomas Victor
Irgendwann begriffen sie, dass Ostdeutschland zwar ein Problem mit Rechtspopulisten hat, dass es da aber auch diese andere Geschichte zu erzählen gäbe. Eine Geschichte von Optimismus und Aufbruch, von Mut und Hoffnung, ein Vierteljahrhundert nach der Wende. Geschichten, die in den Medien oft keinen Platz finden. Wie auch, wenn sich vor allem Schocker verkaufen?
Der Berg Oybin in der Nähe von Zittau inspirierte Casper David Friedrich zu seinem Gemälde «Der Träumer». Victor und Thelen begannen ihre Reise hier. Foto: Thomas Victor
Karl-Heinz’ Traum: «Mein Traum ist es, die Wildtiere in Afrika mit eigenen Augen zu sehen.» Foto: Thomas Victor
Welzow war dank des Kohleabbaus einer der reichsten Orte der DDR. Nach der friedlichen Revolution ging die Produktion zurück, Tausende verliessen den Ort. Victor und Thelen fragten sich: Wovon träumen die Menschen an der Abbruchkante? Foto: Thomas Victor
Gundis Traum: «Mein Traum ist es, dass sich die Leute mehr vertrauen.» Foto: Thomas Victor
Es waren die leisen, die kleinen Geschichten, die Victor und Thelen dokumentieren wollten. Also stellten sie sich mehrere Tage an den Stehtisch neben einer Currywurstbude an der B96 und hörten zu, wonach die Menschen sich sehnten. Teschendorf, Brandenburg, Curry B96, eine Berliner Reisegruppe auf dem Rückweg vom See macht Pause am Grill. Foto: Thomas Victor
Bertholds Traum: «Ich träume davon, endlich mal was zu erleben.» Foto: Thomas Victor
Neustrelitz liegt inmitten unzähliger Seen, die Innenstadt ist saniert, es gibt ein Kunsthaus. Und trotzdem gehen die Jugendlichen alle weg. Der Ruf des nahen Berlins lockt sie und lässt die Stadt veröden. Gäbe es da nicht Leute, die sich dagegen stemmen und auf den Brachen der Wendezeit Neues entstehen lassen. Foto: Thomas Victor
Max’ und Lauras Traum: «Ein schönes Leben mit Familie und ein glückliches Ende.»
Also überlegten sich Victor und Thelen einen Kniff: Sie würden die Menschen nicht nach ihrer Wut, ihrem Hass befragen, sondern nach ihren Träumen. Schliesslich verzwergt Wut den Menschen und seine Gedanken. Hass macht misstrauisch und einsam. Träume hingegen schreiten über Bestehendes hinaus. Egal, ob individuell oder gesellschaftlich, sie spenden Hoffnung, inspirieren, erheben.
Mit diesem Plan im Gepäck fuhren sie los, einmal die B96 entlang. Die einst wichtigste Fernverkehrsstrasse der DDR führt aus dem tiefsten Sachsen bis an die Ostsee, quert Brandenburg und Berlin. Links und rechts der Strasse kamen sie mit den Menschen ins Gespräch, und heraus kam ein Buch: «Die Strasse der Träume – ein Roadtrip auf der B96».
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