Warten auf die Katastrophe
Für rund eine Million Flüchtlinge kann der bevorstehende Monsun zur tödlichen Gefahr werden.
Dreimal mehr Menschen als in Zürich leben im grössten Flüchtlingslager der Welt auf engstem Raum.
Im Hinterland des Touristenorts Cox’s Bazar in Bangladesh leben seit vergangenem August eine Million Rohingya im grössten Flüchtlingslager der Welt. Sie kommen aus dem buddhistischen Nachbarland Burma, wo sie als muslimische Minderheit seit Jahrzehnten diskriminiert werden: Sie haben keine Bürgerrechte und dürfen nicht reisen. Immer wieder kam es deshalb zu Aufständen radikaler Gruppierungen. Nach den letzten im August des vergangenen Jahres schlug die burmesische Armee mit grausamer Brutalität zurück. Laut UNO-Berichten wurden ganze Rohingya-Dörfer niedergebrannt, Tausende Männer ermordet und Frauen vergewaltigt. Wer konnte, flüchtete über die nahe Grenze nach Bangladesh. Dort droht den Geflüchteten die nächste Katastrophe: In diesen Tagen beginnt der Monsun. Hilfsorganisationen fürchten Tausende Tote durch Erdrutsche und Krankheiten.
Häufig wird der Regen während des Monsuns von schweren Stürmen begleitet, denen die einfachen Unterstände nicht standhalten.
Die Menschen bräuchten dringend mehr Bambus, um ihre Hütten zu verstärken und sie gegen die Stürme und den Regen zu schützen.
Die Verteilung von Bambus läuft auf Hochtouren, doch der Nachschub reicht nicht für die Hunderttausende Hütten, welche die Flüchtlinge in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft oft erst einmal als provisorischen Schutz gebaut haben. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.
Mit einfachsten Mitteln: Ob dieses Dach den schweren Regenfällen und Stürmen standhalten wird, ist ungewiss.
Diese Hügel waren früher bewaldet. Doch die Rohingya brauchten Holz, um Feuer zu machen und um ihre Unterstände zu befestigen. Darum fällten sie praktisch alle Bäume, weshalb es mittlerweile kein Holz mehr gibt. Um trotzdem noch zu brennbarem Material zu kommen, graben die Flüchtlinge in ihrer Verzweiflung inzwischen auch die Wurzeln aus dem Boden aus, wie der Mann im blauen Umhang rechts im Bild. Allerdings hält jetzt nichts mehr den Boden zusammen, es kommt zu Erosion. Hilfsorganisationen fürchten, dass der Regen in den nächsten Wochen ganze Siedlungen wegschwemmen könnte.
Doch nicht nur Erdrutsche und Überschwemmungen sind eine Gefahr: Durch den Monsun können auch die oft notdürftig zusammengebauten Latrinen ausgespült werden und Fäkalien ins Trinkwasser gelangen, was zu Krankheiten wie Cholera und Typhus führen kann. Aus diesem Grund bauen Hilfsorganisationen wie Helvetas aus der Schweiz regenbeständige Latrinen an sicheren Orten. Im Bild: Der zweijährige Junge Anwar Shah, der unter starkem Durchfall leidet, und seine Mutter im Spital.
Die eilig aufgestellten Spitäler im Flüchtlingslager – allein die Organisation Ärzte ohne Grenzen betreibt fünf – sind jetzt schon oft an ihren Kapazitätsgrenzen. Wenn durch die Regenfälle und Stürme Verletzte und Kranke dazukommen, wird die Situation dramatisch.
Die zwei Monate alte Moor Kolima leidet unter starkem Fieber.
Da es keine Strassen gibt, bringen Freiwillige Kranke und Verletzte mit Tragbahren ins nächste Spital oder zum nächsten Gesundheitsposten.
Kinder und ältere Menschen können sich auf diesem Untergrund kaum mehr fortbewegen, die Versorgung der Flüchtlinge mit Nahrung und medizinischer Nothilfe wird schwierig bis unmöglich.

Mehr Informationen zu Patrick Rohr und seinem fotografischen Schaffen finden Sie auf seiner Website
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