Kater in Bayern
Die deutsche Fotografin Anne Morgenstern porträtiert den Freistaat.
Arme hoch! Die Grenzwächterin zeigt einer Flüchtlingsfrau die gewünschte Armstellung. Beim Übergang Braunau-Simbach zwischen Österreich und Bayern wird abgetastet. Zwei Frauen, zwei Kulturen, zwei Schicksale stehen sich in diesem Bild gegenüber, und doch scheinen sie miteinander zu verschmelzen.
Anne Morgenstern liebt solche Ambivalenzen. Die in Leipzig geborene Fotografin gilt seit ihrem Buch «Land ohne Mitte» über Sachsen als luzide Beobachterin der deutschen Befindlichkeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Mit dem neuen Werk «Reinheit» (Fountains Books) richtet sie ihre Kamera auf Bayern, wo sie nach der Wende aufwuchs, bevor sie für ihr Fotografiestudium nach Zürich kam.
Als René Burri in den 1960-er Jahren «Die Deutschen» porträtierte, sah man in seinen Bildern ein Land, das sich aus der Erstarrung der faschistischen Strukturen löste und für die Neuzeit erfand. Bei Morgenstern gibts keine solche Bewegung, die Stimmung schwebt zwischen der Sehnsucht nach der «Reinheit» der vergangenen Tage und einer ausgewachsenen Wohlstandsdepression. Ob Oktoberfest-Kater oder ein in der Garderobe abgestelltes Kreuz oder die Feuerwehr, die den Audi eines CSU-Funktionärs aus dem Schnee befreit: Morgensterns Bilder zeigen Momente, «wo es ins Rutschen kommt», wie sie es selbst formuliert. Ihr Blick ist dabei unbarmherzig – ohne je unempathisch zu sein.

Reinheit – Anne Morgenstern
Erstausgabe 2017
limitierte Auflage: 700
160 Seiten
20 x 27 cm
Bestellt werden kann das Buch über die Website der Fotografin www.annemorgenstern.com
oder bei blacklake.de
Ein Kommentar zu «Kater in Bayern»
Ich habe immer gedacht, in Deutschland hätte der Führer nationalsozialistisch geherrscht. Die Fotografin stamme aus der ehemaligen DDR, offensichtlich ist an ihr die stalinistische Begriffswelt haften geblieben