«Fuck you, hihihihihi!»

Ein leicht nostalgischer Fotoband versammelt Zürcher Polizeibilder von Sprayereien.

Manchmal finden Sprüche ihren Weg von der Häuserfassade in einen allgemeinen Sprachgebrauch. Oder sie werden gar zu einer Art Sprach-Ikonen. «Mach aus dem Staat Gurkensalat» aus der Zeit der Zürcher Jugendunruhen gehört dazu, aber auch «Nieder mit den Alpen. Freie Sicht aufs Mittelmeer».
Andere Sprüche wiederum geraten rascher in Vergessenheit. Oder besser: Sie wären in Vergessenheit geraten, wenn nicht die Stadtpolizei von 1976 bis 1989 ein fotografisches Archiv angelegt hätte mit allen «Schmierereien, die den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllen». 2000 Bilder umfasst dieses Archiv der Staatsschutz-Abteilung, genannt KK III. Es umfasst politische Parolen, Farbmalereien, gesprayte Sprüche oder illegale Kunstaktionen aller Art, akribisch aufgelistet auf Karteikarten mit Informationen zu Ort, Beschaffenheit der Wände und Inhalt.

 

700 der Fotografien sind nun im Fotoband «Schmieren/Kleben» versammelt. Es sind brave Sprüche («Häsch dini Ovi scho gha?», «Die SBB ist zu teuer») oder romantische Aufforderungen («Zürcher schmust mehr im Tram»), aber auch Aussagen, die aus heutiger Perspektive etwas Rätselhaftes haben («Ihr Pöstler! Lest nicht immer unsere Postkarten»). Andere wiederum hätten es verdient, zu Sprach-Ikonen zu werden, genau wie eingangs beschriebene («Mehr Lutschbonbons für Eisbären»).
Etwas Nostalgisches umweht diese Bildersammlung. Es ist Alltagspoesie aus einer Zeit, in der nicht von allen Seiten um Aufmerksamkeit gebuhlt wurde. Es sind auch Zeichen einer Stadt, die sich in den letzten Jahrzehnten massiv gewandelt hat.
Ein Glossar am Ende des Buches erklärt die Zusammenhänge von Parolen, Symbolen und Personen. Und lässt auf die Bemühungen einer Stadtpolizei schliessen, die selbst am besprayten Schulhaus den Staatsfeind witterte.
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Schmieren/Kleben
Aus dem Archiv KK III der Stadtpolizei Zürich 1976–1989
Philipp Anz, Jules Spinatsch, Viola Zimmermann
Edition Patrick Frey

Buchvernissage:
Do 26. 4. 2018 im Kosmos, Lagerstrasse 104, 8004 Zürich

13 Kommentare zu ««Fuck you, hihihihihi!»»

  • lina sagt:

    Das beste „Geschmiere“ war jahrelang bei der Zugseinfahrt von Bern nach Zürich zu lesen und leider von der Durchmesserlinien- Renovation zerstört: „Putzen befreit“

  • Michael Matthé sagt:

    In Berlin vor dem Fall der Mauer auf die Westseite der Mauer gesprüht: „schade dass Beton nicht brennt“

  • Jessas Neiau sagt:

    An einem Baumstamm am rechten Basler Rheinufer las ich einst: „Baum“. das hat mich nachhaltig geprägt.

  • Andreas Forrer sagt:

    In der Westschweiz waren „Rasez les alpes qu’on voit la mer“ und „plus de crème dans les mille feuilles“ so legendär, dass sich niemand traute, diese wegzuputzen.
    Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass der „Sprayer von Zürich“ aka H.R. die Ehre für sein Tun in Deutschland holen musste :-)

  • Max Küng sagt:

    Verweile, Augenblick, Du bist so schön. Wir warten bereits auf das noch eine Spur zeitgemässere BEST OF PUBER Buch? Aber bitte leinengebunden, gerne im Schuber. Na?

  • Res Kieser sagt:

    Sprachlich besonders eindrücklich ist mir in Erinnerung: „Was lange gärt, wird endlich Wut.“
    Ich meine, am Bucheggplatz.

  • Jens Montandon sagt:

    Bei uns an der Strasse stand erstaunlich lange „Nicole, Ich liebe dich“ aufgesprayt. Hat immer für ein kleines Schmunzeln gesorgt.
    Und als Kind sind mir damals die vielen „Zaffaraya“-Schriftzüge in und um Bern herum aufgefallen. Viele davon haben jahrelang überlebt.

  • Cedric Gehrer sagt:

    Weiss eigentlich, wer hinter all diesen „Schön“-Tags stand, die eine zeitlang in Zürich (teils bis nach Schaffhausen…) zu sehen waren? Fand die noch schön :)

  • Biit sagt:

    Mein Topfavorit: „Stell dir vor es wäre Krieg und keiner geht hin“.
    Stand der Statz nicht irgendwo in Murten an einer Wand?

  • Tom Maier sagt:

    in Wetzikon wurde „nur ein Kuss“ aufgesprayt. Zum Glück hats der Schulwart damals nicht wegputzen lassen, wurde legendär.

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